Nicht weit von mir entfernt neben den Eisenbahngleisen
befindet sich das Gelände eines großen Warenmarktes. In gefühlt
tausend kleinen Lädchen verkaufen tausend Verkäufer tausend für den Haushalt
nützliche und weniger nützliche Dinge, und zwar überall ungefähr die gleichen.
In einem dieser Lädchen erstand ich am Wochenende eine Bettdecke, um nicht mehr
– wie bisher – in meinem Schlafsack liegen zu müssen. Eigentlich wollte ich
eine dicke Daunendecke kaufen, wie ich sie auch in Deutschland hatte. Aber
Daunendecken scheinen hier nicht üblich zu sein, und so wurde eine
Kamelhaardecke daraus. Hinterher fiel mir ein, dass mir ein anthroposophischer Berliner
Allergologe genau Kamelhaar empfohlen hatte, um schnupfenfrei zu schlafen –
also passt es gerade!
Wie überall in Russland werden auch Lebensmittel in tausend
kleinen Geschäften verkauft, gelegentlich gibt es den einen oder anderen
größeren Supermarkt. Im Supermarkt hier um die Ecke finden sich ungefähr 20
Sorten Kaffee – aber alles nur löslicher, kein echter. Dabei trinken die Russen
durchaus nicht nur Tee. Interessant, warum einem in Deutschland echter Bohnenkaffee
kiloweise zu Ramschpreisen um die Ohren geworfen wird, während er sich hier
überhaupt nicht durchsetzen konnte. In der Nähe des Siegesdenkmals fand ich ein
kleines Spezialgeschäft, was Wein, losen Tee und Kaffee verkauft –
Direktanlieferung aus Moskau, 100 Gramm frisch gemahlenen Kaffee ab umgerechnet
4 Euro.
Die erste Hausaufgabe, die ich meinen Studentinnen gab, war
ein kleiner Aufsatz „Das bin ich“, in dem sie kurz auf Deutsch über sich
erzählen sollten. Vieles darin wiederholt sich und ist mir schon bekannt: „Ich
lebe mit meinen Eltern, mein Vater ist beim Militär“, „Ich möchte reisen und
die Welt sehen“, „Mein Hobby ist Tanzen“, „Ich mag deutsche Rockmusik“.
Manchmal musste ich bei der Lektüre auch schmunzeln. „Mit 30 Jahren hat man
schon praktisch die Hälfte des Lebens vorbei, zumindest für die russischen
Verhältnisse“, schreibt eine ältere Studentin, und weiter: „Und wahrscheinlich
um die Memoiren zu schreiben, ist es noch zu früh, aber einiges habe ich schon
zu erzählen. Erstens, habe ich zwei gute Kinder. Mein Sohn ist 11 und meine
Tochter 8.“ Nach dem Unterricht fragte mich diese Studentin, wie alt ich bin –
ich ließ sie raten und sie schätzte 28. Hier in Russland hält man mich
gewöhnlich für 5 bis 10 Jahre jünger, als ich wirklich bin. Für meine Maßstäbe
sehen Russen recht früh oft schon sehr erwachsen aus.
Mein Stundenplan umfasst 8 bzw. 9 Doppelstunden (es gibt die
sich einander abwechselnden „Woche 1“ und „Woche 2“ mit sich leicht voneinander
unterscheidenden Plänen). Ich unterrichte im 3. und 4. Bachelor-Studienjahr und
im 1. Master-Studienjahr, drei Kurse sind sprachpraktische
Kommunikationskurse, einer heißt „Training zur interkulturellen Kommunikation“
(da muss ich mir noch etwas Interessantes ausdenken) und einer ist ein Lektüre-Kurs
– ich bespreche ein literarisches Werk, dass die Studenten zuhause lesen sollen.
Inzwischen hat mich das dritte Couchsurfer-Paar besucht:
Ivan und Nastja, per Anhalter unterwegs von Wladiwostok nach Moskau, und wieder
wurde ich in meiner Wohnung bekocht, diesmal mit Bliny und Buchweizengrütze. Meinen
Couchsurfing-Account habe ich jetzt erst einmal auf „Empfange gerade keine
Gäste“ umgestellt, da ich mich sonst vor lauter Anfragen gar nicht retten kann.
![]() |
Mein Stundenplan - rechts der Name des Dozenten, der den Kurs hätte, wenn ich nicht da wäre |
![]() |
Nastja und Ivan, meine dritten Couchsurfing-Gäste, vor meinem Haus |