Vor der Abfahrt des Kleinbusses zu meinem Reiseziel an diesem Wochenende stöberte ich in der großen Buchhandlung in der Nähe des Busbahnhofes. Ein Tisch mit dem Aufsteller „Verbotene Bücher“ erregte meine Aufmerksamkeit. „Diese Bücher sind in der Ukraine verboten“, stand dort, und versammelt waren Titel wie „Projekt Neu-Russland“, „Ukraine – Revolution und Chaos“ und „Ende des Projekts Ukraine“. Es wäre interessant zu wissen, ob es in ukrainischen Buchläden ähnliche Auslagen mit in Russland verbotenen Büchern gibt.
Mein dritter und landschaftlich
schönster Ausflug ans Ufer des Baikals führte mich nach Gremjatschinsk. Das Ufer
an dem kleinen Dorf 140 Kilometer nördlich von Ulan-Ude ist flach und sandig,
umrahmt von waldbewachsenen Bergen. Malerische Kiefern stehen nicht weit vom
Wasser, und der Blick über den See hinweg fällt auf die Steilküste von Olchon,
der berühmtesten und größten Insel des Baikals Die Luft war sauber und das
Wasser herrlich klar, von den diesjährigen Waldbränden zeugten nur viele kleine
verkohlte Holzstückchen, die die Wellen ans Ufer geworfen haben.
Ich kam erst am späten Nachmittag
an und übernachtete in einem einfachen, leeren Hotel (die Touristensaison ist
schon vorbei). Das spartanische Zimmer kostete 500 Rubel, der asiatisch
aussehende Inhaber sprach Russisch mit einem ganz merkwürdigen Akzent. Wahrscheinlich
einer der Burjaten, die so weltfremd aufgewachsen sind, dass sie noch nicht
einmal die Landessprache richtig beherrschen und über die ich gehört hatte,
dass es sie vereinzelt noch geben soll. Es war kühl und die Hoteldecke ziemlich
dünn, zum Glück hatte ich meinen kuscheligen Daunenschlafsack dabei.
Am nächsten Morgen stellte sich
heraus, dass der Burjate in Wirklichkeit ein Kambodschaner war, der seit 30
Jahren in Russland lebt und hier studiert hat. Sicher lerne ich bald noch, die
asiatischen Kulturen etwas besser auseinanderzuhalten.
Für die Rückfahrt stellte ich
mich an die Straße und hielt den Daumen heraus. Nach einer kleinen Weile
stoppte ein schicker, glänzender Jeep. Am Steuer saß ein dicker Mann mit
feistem Gesicht. „Fahren Sie nach Ulan-Ude?“ – „Ja, aber ich bin betrunken.
Macht das was?“ – Ich schaute etwas hilflos seine Beifahrerin an. „Macht er
Spaß?“, wollte ich wissen, aber sie schaute nur ausdruckslos vor sich hin. „Na,
wenn Sie betrunken sind, dann lieber nicht…“ meinte ich unsicher, woraufhin der
Mann grinste und Gas gab.
Mit dem nächsten Fahrer hatte ich
Glück. Wir fuhren an grünen Kiefernwäldern und gelb-orange glänzenden Laubwäldern
vorbei und ich wurde auf schwarze und braune Stellen hingewiesen, an denen der
Wald gebrannt hat. In diesem Sommer hat das Feuer wohl 12000 Quadratkilometer erfasst
– zwei Drittel der Fläche Sachsens, das ist auch für hiesige Maßstäbe eine
Menge.
Der erste Brief aus Deutschland
hat mich erreicht – er war drei Wochen unterwegs. Wer mir schreiben möchte,
kann das an folgende Adresse tun (auch wenn der Briefkasten nicht abschließbar
ist, klaut hier wahrscheinlich keiner Briefe):
670000, Ulan-Ude
ul. Frunze, dom 16, p. 3, kv. 46
Thomas Ranft
RUSSLAND
In Russland werden Adressen oft genau
umgekehrt geschrieben wie bei uns, also beginnend mit der Postleitzahl und
endend mit dem Namen. Die drei Zahlen in der zweiten Zeile sind Hausnummer, Eingangsnummer und Wohnungsnummer. Postboten können inzwischen wohl auch lateinische
Buchstaben lesen.
Container als Fischerhütten |
Verkohlte Holzstückchen am Ufer |
Blick auf das Dorf Gremjatschinsk und die sandige Bucht |