Literatur zum Thema Russland, die ich gelesen habe – mit
meiner persönlichen, ganz subjektiven Einschätzung dazu. Stand: 08.08.2019
Je weiter unten in der
Liste, desto aktueller sind die Literaturtipps.
Susanne Brammerloh,
Lothar Deeg: Kulturschock Russland (2011)
Viele Dinge in Russland sind an der Oberfläche ganz ähnlich
wie in Deutschland und aber doch ganz anders, wenn man etwas länger und genauer
hinschaut. Der Kulturschock ist nicht ganz offensichtlich, sondern etwas
verborgen. Viele Dinge, die ich auf meinen Russlandreisen wahrgenommen habe,
konnte ich nach der Lektüre des Buches besser verstehen und beschreiben.
Empfehlenswert!
Jens Mühling: Mein
russisches Abenteuer (2012)
Der Autor ist auf den Spuren der letzten Überlebenden einer
weitab der Zivilisation lebenden Altgläubigenfamilie, Anastasia Lykova, nach
Sibirien gereist. Unterwegs hat er spannende Begegnungen mit besonderen
Menschen, die ein Bild vom heutigen Russland mit all seinen Verrücktheiten und
Widersprüchen vermitteln. Jens Mühling schildert seine Reise auf eine
hervorragend lesbare Weise und hat Ahnung von Kultur und Sprache. Neben dem
Buch von Colin Thubron der beste Reisebericht über Russland, den ich kenne.
Hochgradig empfehlenswert.
Wolfgang Büscher: Berlin-Moskau.
Eine Reise zu Fuß (2004)
Büscher ist die Strecke von Berlin nach Moskau zu Fuß
gelaufen und schildert seine Eindrücke. Ganz offensichtlich hat er von den
Kulturen und Sprachen der Länder, die er durchwandert, keine Ahnung. Seine
Begegnungen bleiben an der Oberfläche, sein Blick ist der eines arroganten
Westeuropäers, hinter einer aufgeblasenen, sich an der Beschreibung von
Nichtigkeiten aufhaltenden Sprache verbirgt er, dass er nichts zu sagen hat.
Der Leser erfährt keinerlei technische oder organisatorische Einzelheiten der
Tour. Ein Beispiel für einen echt schlechten Reisebericht.
Walter Schubart: Europa
und die Seele des Ostens (1947)
In der kommenden Epoche der Menschheitsgeschichte wird das
russische Volk eine besondere Rolle spielen, und Russland und Westeuropa können
sich dabei auf ganz besondere Weise ergänzen. Der Kulturphilosoph Schubart
entwirft seine These in einer ganz plastischen, drastischen und zugespitzten
Sprache. Ein weder aktuelles noch „wissenschaftliches“ und doch sehr spannendes
und erkenntnisreiches Buch. Hochgradig empfehlenswert.
Gabriele Krone-Schmalz:
Russland verstehen (2015)
Die Autorin schildert die Auseinandersetzung Russlands mit
dem Westen und speziell den Ukraine-Konflikt aus einer Perspektive, die
Verständnis für Russland und russische Positionen aufbringt. Ein sehr
empfehlenswertes Buch vor dem Hintergrund der Anti-Russland-Propaganda in den
deutschen Medien.
Thomas Fasbender:
Freiheit statt Demokratie. Russland und die Illusionen des Westens (2014)
Mit den Beschreibungen der russischen High Society und Big-Business-Welt
kann ich nicht viel anfangen, zu weit weg ist das von meinem Lebensumfeld.
Andere Kapitel sind interessant und aufschlussreich, manchmal vielleicht etwas
trocken geschrieben. Empfehlenswert.
Heidrun Igra:
Geschäftskultur Russland (2013)
Die Autorin führt Trainings für deutsche Manager durch, die
sich auf den beruflichen Einsatz in Russland vorbereiten, und fasst ihre
Erfahrungen und Tipps in diesem Buch zusammen. Was sie schreibt, ist
aufschlussreich, auch wenn man Russland nur als Privatperson bereist.
Empfehlenswert.
Veronika Wengert:
Fettnäpfchenführer Russland (2014)
Auch in diesem Buch geht es um das Thema der
unterschiedlichen kulturellen Standards in Deutschland und Russland. Am
Beispiel eines fiktiven deutschen Geschäftsmannes in Russland werden typische
Situationen dargestellt, die „Fettnäpfchen“ geschildert, in die der Deutsche
tritt und beschrieben, was er hätte besser machen können. Geschrieben in einer
unglaublich schnodderigen, unausgereiften, für mich schwer genießbaren Sprache.
Nicht empfehlenswert.
Rainer Berthelmann:
Russland für Besserwisser. Band 1 (2005) und 2 (2008)
Der Autor gibt in Band 1 eine unterhaltsame und lehrreiche
Einführung in die russische Sprache und Landeskunde für alle, die Russisch
lernen wollen oder schon dabei sind. In Band 2 hatte ich beim Lesen das Gefühl,
dass Berthelmann krampfhaft sein ganzes Detailwissen unterzubringen bestrebt
ist und deshalb von einem Thema zum anderen springt, was die Lektüre sehr
schwer genießbar macht. Außerdem finde ich die russischen Krimis, auf die er
immer wieder verweist und aus denen er Auszüge gibt, wenig wertvoll. Band 1 –
empfehlenswert, Band 2 – nicht empfehlenswert.
Peter Ustinov: Mein
Russland (1983)
Ustinov als im Westen lebender Russland-Freund erzählt
anschaulich und gut lesbar die Geschichte des Landes und hat Sympathien für
sowjetische Standpunkte im Kalten Krieg. Natürlich überhaupt nicht aktuell,
aber darauf kommt es hier nicht an. Empfehlenswert.
Hans Engberding, BodoThöns:
Transsib-Handbuch (2010)
Ein guter Reiseführer für alle, die mich hier besuchen und
dabei mit der Transsibirischen Eisenbahn fahren möchten. Empfehlenswert.
Heike Mall, Roger Just: Baikal – See und Region
(2007)(2017)
Der ultimative deutschsprachige Baikalsee-Reiseführer mit
einer Fülle an Detailinformationen, die nicht nur das unmittelbare
Baikalgebiet, sondern auch etwas entferntere Regionen wie Tofalarien, das
Oka-Gebiet und Bratsk abdecken. Für alle, die hierher wollen, sehr
empfehlenswert. 2017 erschien eine Neuauflage des Buches im Eigenverlag, da der
Reise knowhow-Verlag das Werk nicht wieder ins Programm aufnehmen wollte.
Peter Scholl-Latour:
Russland im Zangengriff (2007)
Eine Mischung aus Reiseberichten und politischer Analyse,
scharfsinnig und detailliert, spannend erzählt. Empfehlenswert.
Colin Thubron:
Sibirien – Schlafende Erde, erwachendes Land (2001)
Ein hochgradig spannender und gut geschriebener Reisebericht
durch das Sibirien der zu Ende gehenden 90er Jahre. Der Autor, Präsident der
britischen Royal Society of Literature, schildert tolle Begegnungen mit
Landschaft und Menschen; der Schreibstil hat literarische Qualität, obwohl man
eine Übersetzung liest. Einer der besten Russland-Reiseberichte, die ich kenne.
Hochgradig empfehlenswert.
Gisela Reller:
Zwischen Weißem Meer und Baikalsee (1981)
Die DDR-Journalistin Reller bereiste drei Regionen des
sowjetischen Russland (RSFSR) und beschreibt ihre Eindrücke. Grundtenor: in der
Sowjetunion leben viele Völker friedlich zusammen, Lenins Vorschlag von der
Autonomie der Völkerschaften wurde verwirklicht. Interessant ihre
Beschreibungen des Buddhismus: eigentlich wird er offiziell eher verachtet
(„Propagierung von Passivität und Pessimismus“, Gorki-Zitat), aber man ist auch
stolz auf die religiöse Toleranz und darauf, dass Gläubige ihre Religion
ausüben können. Empfehlenswert für alle, die sich für historische Reiseberichte
interessieren. Ich habe das Buch im Museum der Geschichte Burjatiens
aufgestöbert, wo dem Besuch der DDR-Delegation mit Gisela Reller ein
Schaukasten gewidmet ist.
Werner Beck: Auszeit
am Baikalsee (2012)
Ein Deutscher schildert sein Jahr am Baikalsee in einer
Jurte in der einsamen Tschirvikui-Bucht: im Sommer gemeinsam mit seiner Frau,
im Winter allein. Ein sehr spannendes, dabei einfach geschriebenes und
menschlich berührendes Buch. Beck verrät viele technische Details seines
Aufenthaltes, es gibt Karten und Fotos. Sehr lohnenswert.
Gerd Ruge:
Sibirisches Tagebuch (1998)
Ruge bereiste Sibirien nicht wie üblich in Ost-West-Richtung,
sondern von Süden nach Norden, von der chinesischen Grenze nach Tiksi am
Polarmeer. Der größte Teil der Route führt durch Jakutien, die größte und
kälteste der russischen Regionen. Man merkt, dass Ruge als Fernsehjournalist
und nicht in erster Linie als Schriftsteller unterwegs war, gelegentlich
schreibt er etwas aneinanderreihend-trocken. Trotzdem eine interessante
Lektüre, die in einem bunten Mosaik von Begegnungen auch ein Bild des
krisengeschüttelten Russlands der 90er Jahre vermittelt. Empfehlenswert.
Karin Haß: Fremde
Heimat Sibirien (2009)
Die Hamburgerin Karin Haß tauschte im Jahre 2005 ihr Leben
als Programmiererin in einer deutschen Großstadt gegen das Dasein in dem
80-Einwohner-Dorf Srednjaja Oljokma im Gebiet Tschita ein. Sachlich und genau
beobachtend berichtet sie vom Leben in der Taiga, den Menschen und der
großartigen Natur. Sie fand in Srednjaja Oljokma die Liebe ihres Lebens, einen
ewenkischen Jäger, der sie dazu bewog, dort zu bleiben. Humorvoll und spannend
erzählt. Absolut empfehlenswert.
Karin Haß: Bärenspeck
und Pfeffer (2012)
Karin Haß schätzt die fantastische, reine sibirische Natur
und schildert ihre Erlebnisse, wenn sie ihren Mann auf der Jagd begleitet, den
Winter bei -50 Grad meistert und im Sommer Gäste aus Deutschland empfängt. Die
geistige Leere, die sie unter den Menschen erlebt, und der grassierende
Alkoholismus im Dorf bringt sie in einen tiefen inneren Zwiespalt. Dieses
zweite Buch der Autorin ist genauso toll wie das erste.
Peter Eichenberger:
Sibirien. Naturparadies zwischen Ural und Pazifik (2003)
Ein großformatiger Bildband. Der Autor ist Ingenieur bei der
Schweizerischen Bundesbahn und leitete nebenberuflich Outdoor-Touren durch
Sibirien. Im Buch beschreibt er seine Erlebnisse in sieben verschiedenen
sibirischen Regionen. Die Texte sind literarisch weniger ausgefeilt und
spannend als andere Reiseberichte, aber die Fotos fantastisch. Empfehlenswert.
Traugott v.
Stackelberg: Geliebtes Sibirien (1953)
Der Autor, ein welterfahrener junger Arzt, Angehöriger des
deutsch-baltischen Adels, wurde 1915 aus politischen Gründen nach Sibirien
deportiert. Er gibt ein romantisch-verklärtes Bild des vorrevolutionären
Sibiriens und beschreibt hochspannend die Wirren der Revolution. Stackelberg
erlebt sein Verbanntsein nicht als Last, sondern gestaltet es mit einem
Höchstmaß an persönlicher Freiheit. Ruhiger, unspektakulärer Erzählfluss,
genaue, poetische Naturbeschreibungen, eine Fülle interessanter Details. Sehr
empfehlenswert.
Thomas Kunze/ Thomas
Vogel: Das Ende des Imperiums. Was aus den Staaten der Sowjetunion wurde (2015)
Eine Mischung aus politischer Analyse, geschichtlichem
Abriss und Reisebericht durch die 15 ehemaligen Sowjetrepubliken. Gut lesbar,
sehr empfehlenswert.
Irina Scherbakoba/
Karl Schlögel: Der Russland-Reflex (2016)
Eine intelligente, tiefsinnige Diskussion zweier Historiker
über Russland, das russisch-deutsche Verhältnis und dessen aktuelle Krise. Sehr
kritisch gegenüber Putin, kein Verständnis für russische Positionen in der
Ukrainekrise.
Christa Wolf:
Moskauer Tagebücher. Wer wir sind und wer wir waren (2014)
Von Gerhard Wolf herausgegebene, eigentlich nicht zur
Veröffentlichung bestimmte Tagebuchaufzeichnungen von Christa Wolf von ihren
insgesamt 10 Reisen in die Sowjetunion im Zeitraum 1957-1989.
„Auch zu sehen, wie die nach ihren
Möglichkeiten doch ungeheuren Produktivkräfte dieses Landes nur an wenigen
Punkten wirklich zusammengefasst und ausgenutzt werden, das Übrige lässig
liegengelassen wird… Es ist, als fehle dieser riesigen Menschenmasse etwas wie
eine Durchorganisierung durch produktiven Geist, oder als habe er jedenfalls
erst einen geringen Teil dieser Masse erfasst, und die übrigen sind in aller
Ruhe noch auf andere Ziele aus. Aber gerade das ist auch wieder für uns
anziehend, die wir aus einem durchorganisierten Ländchen kommen, in dem zwar
produziert wird, aber immer mehr der Geist verlorengeht.“ (1966)
Wladimir und Olga
Kaminer: Küche totalitär. Das Kochbuch des Sozialismus (2006)
Humorvolle Kurzporträts von sieben ehemaligen
Sowjetrepubliken und drei Regionen Russlands und Kochrezepte aus den jeweiligen
Gegenden. Lustig, schnoddrig, oberflächlich – ein typischer Kaminer. Für
Freunde der leichteren Unterhaltung empfehlenswert.
Wladimir Kaminer: Goodbye,
Moskau (2017)
Sehr ironisch und sehr negativ schreibt Kaminer über das
heutige Russland – ein Auslandsrusse, der sein Land nicht mehr versteht.
Manchmal lustig, manchmal angestrengter Möchtegern-Humor. Geschmacksache.
Michael Ebmeyer: Der
Neuling (2009)
Roman über einen Stuttgarter Logistiker, der auf
Geschäftsreise nach Kemerowo geschickt wird, sich dort in eine schamanische
Kehlkopfsängerin verliebt und nicht mehr zurück will. Der Held durchlebt eine
Entwicklung vom biederen Selbstzweifler zu einem abenteuerbereiten Menschen,
der bereit ist, alle Brücken hinter sich abzubrechen. Als „Ausgerechnet
Sibirien“ verfilmt. Der Autor lässt viele landeskundliche Details und sicher
auch Erlebnisse von seinem eigenen Sibirienaufenthalt einfließen. Das Buch
verblasst etwas vor dem Hintergrund anderer authentischer Erfahrungsberichte
Deutscher aus Russland.
Klaus von Beyme: Die
Russland-Kontroverse (2016)
Der Autor ist Politikwissenschaftler und stellt in diesem
kleinen Büchlein die Argumente der „Russland-Versteher“ und Russland-Kritiker in
komprimierter Form einander gegenüber. Für politisch Interessierte
empfehlenswert.
Josef Martin Bauer:
So weit die Füße tragen (1955)
Ein Klassiker der Abenteuerliteratur, 2001 fürs Kino verfilmt,
auf dem angeblichen Erfahrungsbericht eines Wehrmachtssoldaten beruhend. Der
deutscher Kriegsgefangene Forell, zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, flieht
1949 aus einem Arbeitslager am russischen Kap Deshnjov, wo er in einem
Bleibergwerk arbeiten musste, und schlägt sich zu Fuß und mit der Bahn durch
Sibirien und den Kaukasus bis nach Teheran durch, das er drei Jahre später
erreicht. Forell verbringt Zeit mit kriminellen Goldwäschern, die ihn fast
umbringen, und wird von Jakuten vor Wölfen gerettet. Im Verlaufe der Flucht
verkommt er immer mehr zum zerlumpten Bettler. Hochgradig spannend erzählt,
sehr empfehlenswert.
Brigitte Reimann: Das
grüne Licht der Steppen. Tagebuch einer Sibirienreise (1965)(2004)
Die DDR-Schriftstellerin Brigitte Reimann bereist mit einer
Delegation des FDJ-Zentralrats Sibirien und Kasachstan. In Bratsk macht sie
Bekanntschaft mit Ingenieuren, die unter widrigsten Bedingungen den dortigen
Staudamm gebaut haben; in Nordkasachstan lernt sie die Neulandgewinnung kennen.
Aufbruchsstimmung, Abenteuerlust und Forscherdrang,
Industrialsierungs-Optimismus. „Und diese unverrückbare Sicherheit – wir werden
im Kommunismus leben – zeichnet alle aus, mit denen wir sprachen; sie sind sich
genau dessen bewußt, was ihre Arbeit hier in Sibirien bedeutet, worauf ihre
Anstrengungen zielen, und sie haben außer Courage und Enthusiasmus auch die
großartigsten materiellen Bedingungen, um die neue Ordnung aufzubauen.“ Neben
dem für die Veröffentlichung bestimmten Tagebuch bietet die Neuauflage auch
einen Auszug aus dem privaten Tagebuch Reimanns und Fotos. Ein aus heutiger
Sicht vielleicht wenig spektakuläres, aber sehr interessantes Zeitzeugnis.
Klaus Bednarz: Ballade
vom Baikalsee. Begegnungen mit Menschen und Landschaften (2000)
Der Fernsehjournalist Bednarz bereiste im Winter und im
Sommer 1998 die Baikalregion. Ein hervorragend geschriebener, schöner,
anschaulicher Reisebericht. Beim Lesen sollte man im Hinterkopf haben, dass
sich die wirtschaftliche und ökologische Situation am Baikal in den seitdem
vergangenen 20 Jahren um einiges verbessert hat. Sehr zu empfehlen.
Bettina Franzke, Romy
Henfling: Interkulturelle Kompetenz Deutschland-Russland (2016)
Nach einigen theoretischen Vorüberlegungen über
deutsch-russische Kulturunterschiede schildern die Autorinnen 20 Fallbeispiele
deutsch-russischer Begegnungssituationen, die für Irritationen, Ärger und
Verunsicherung gesorgt haben. Die Situationen werden ausführlich diskutiert und
sind mit Vorschlägen zu ihrer „Auflösung“ versehen. Ein gutes, wissenschaftlich
fundiertes Buch, geeignet zum Beispiel für alle, die im Bereich des
deutsch-russischen Kulturaustausches arbeiten oder viel mit Russen zu tun
haben.
Dwinger, Edwin Erich:
Und Gott schweigt…? Bericht und Aufruf (1936)
Der Deutsch-Russe Dwinger, der im ersten Weltkrieg in
russischer Gefangenschaft war und dann in der Weißen Armee gegen die
Kommunisten gekämpft hat, schildert die Erlebnisse eines „jungen Deutschen“ in
Russland und der Ukraine und beschreibt in den schrecklichsten, düstersten
Farben Armut, Elend und Schrecken, die der Kommunismus über das Volk gebracht
habe. Die Sympathie des Autors für das Hitler-Regime und sein Auftrag, „Europa
von der Gefahr aus dem Osten zu befreien“, wird an einigen Stellen sehr
deutlich. Als zeithistorisches Zeugnis interessant zu lesen.
Coelho, Paulo: Aleph
(2010)
Der Roman des brasilianischen Erfolgsautors hat seinen Platz
auf dieser Liste gefunden, weil die Handlung in der Transsibirischen Eisenbahn
und einigen Städten an ihrer Strecke spielt. Der Ich-Erzähler ist Coelho
selbst, der diese Reise 2006 gemacht hat. Auf der Reise begegnet er einer
jungen Frau, an der er sich in einem früheren Leben verbrochen hat und die er
nun um Vergebung bittet. Fade, reizlose Sprache (wie so oft, wenn man eine
Übersetzung liest). Weder für den im Super-Luxusabteil reisenden Erzähler noch
seine aufdringliche, unreife Begleiterin kann ich Sympathie empfinden. Die Art,
wie ununterbrochen Lebensweisheiten angebracht werden, wirkt auf mich
unnatürlich und wenig überzeugend; das feministische und religionsfeindliche
Weltbild des Autors ist nicht meines.
Bidder, Benjamin:
Generation Putin (2016)
Der Journalist Bidder hat über mehrere Jahre hinweg die
Biografie junger Russen begleitet und sie über Träume und Triebfedern ihres
Handelns befragt – sowohl Putin-Fans als auch Gegner, wobei der Autor eine
deutliche Sympathie für westlich denkende Oppositionelle hegt. Vor dem
Hintergrund dieser Begegnungen entsteht ein spannendes Porträt Russlands seit
dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Lesenswert.
Orth, Stephan:
Couchsurfing in Russland. Wie ich fast zum Putin-Versteher wurde (2017)
Ein für mich persönlich sehr sympathisches Buch: der Autor
ist genau mein Geburtsjahrgang, hat viele mir bekannte Regionen Russlands
bereist und dort per Couchsurfing Gastgeber gefunden – eine Möglichkeit, mit
Einheimischen in Kontakt zu kommen, die ich auch oft genutzt habe. Interessant,
authentisch und unterhaltsam geschrieben, mitunter für meinen Geschmack etwas
zu schnodderig. – Orth besucht am Baikalsee nur kurz die Insel Olchon und
verlässt sie frustriert, weil es ihm nicht gelingt, mit einem Schamanen in
Kontakt zu treten – er scheint nicht zu wissen, dass echte Schamanen kaum mit
englischsprachigen Touristen sprechen, nur um deren Neugierde zu befriedigen. –
Trotzdem eine sehr empfehlenswerte Lektüre.
Hardwin Jungclaussen: Frei in drei Diktaturen. Wie ich mein Leben erlebte und wie ich mein Glück fand (2015)
Die
Autobiografie des 1923 geborenen Physikers und Informatikers ist
spannend und gut lesbar geschrieben. Jungclaussen lebte 20 Jahre in der
Sowjetunion, schildert, wie menschlich er die Russen während seiner
Kriegsgefangenschaft erlebte und wie er die Zeit abgeschottet von der
Außenwelt bei seinem Onkel, dem Atomphysiker Gustav Hertz am Schwarzen
Meer verbrachte, der dort in einer eigens für ihn errichteten Villa an
der Entwicklung der Atombombe beteiligt war. Amüsant, wie der Autor seine Persönlichkeit auf das
Gehirn reduziert: "Unsere limbischen Systeme [hatten] die Entscheidung
getroffen, uns zu heiraten"; "Die neuronalen Strukturen im präfrontalen
Cortex, die die sozialen Kompetenzen bestimmen, sind bei mir relativ
schwach ausgebildet" usw.
Krone-Schmalz,
Gabriele: Eiszeit. Wie Russland dämonisiert wird und warum das so gefährlich
ist (2017)
Das zweite im C.H. Beck Verlag erschienene Buch der
Russland-Expertin Krone-Schmalz liest sich weniger leicht als das erste, ist
aber nichtsdestotzotz eine spannende Lektüre und ein hocherfreuliches
Gegengewicht zur oberflächlichen Berichterstattung in den deutsche Medien, der
es oft an Verständnis für russische Positionen mangelt. Russland agiert
aggressiv, die NATO reagiert nur darauf, ist der Tenor – die Autorin zeigt,
dass man es auch andersherum sehen kann und führt eine Fülle spannender Details
noch aus der Zeit des kalten Krieges an. Sehr empfehlenswert.
Sylvain Tesson: In
den Wäldern Sibiriens. Tagebuch aus der Einsamkeit (2011 frz./2016 dt.)
Der 1972 geborene französische Reiseschriftsteller hat im
Jahre 2010 sechs Monate allein in einer Hütte am Nordwestufer des Baikalsees
verbracht und darüber ein literarisches Tagebuch geschrieben,
intellektuell-verspielt, fein-ironisch und mit vielen Anspielungen und Zitaten
aus den zahlreichen Büchern, die er in die Einsamkeit mitgenommen hat.
Bemerkenswert ist sein reichlicher Wodkakonsum, der ihn nicht daran hindert,
tiefgründig-philosophische Gedanken zu formulieren.
Lesenswert.
Britta Wulf: Das Rentier in der Küche. Eine deutsch-sibirische Liebe (2016)/ Und der Schamane lacht (2018)
Die Autorin ist Fernsehjournalistin und verliebt sich beim Drehen eines Filmes über die Ewenken am Baikalsee in einen ewenkischen Mann. Ihre Liebesgeschichte ist einfach und nett erzählt, die Bücher mit schönen Fotos ausgestattet, sprachliche Qualität und inhaltliche Tiefe kommen aber bei weitem nicht an die Schilderungen von Karin Haß heran, die mit ihrem Ewenken in Transbaikalien lebt.
Merle Hilbk: Sibirski
Punk. Eine Reise in das Herz des wilden Ostens (2006)
Die Autorin ist im Jahre 2004 für drei Monate durch Sibirien
gereist und schreibt ausführlich unter anderem über Ulan-Ude und Burjatien. Ein
spannendes, gut geschriebenes, auch sehr persönliches Buch, stellenweise etwas
kitschig-sentimental. Empfehlenswert.
Britta Wulf: Das Rentier in der Küche. Eine deutsch-sibirische Liebe (2016)/ Und der Schamane lacht (2018)
Die Autorin ist Fernsehjournalistin und verliebt sich beim Drehen eines Filmes über die Ewenken am Baikalsee in einen ewenkischen Mann. Ihre Liebesgeschichte ist einfach und nett erzählt, die Bücher mit schönen Fotos ausgestattet, sprachliche Qualität und inhaltliche Tiefe kommen aber bei weitem nicht an die Schilderungen von Karin Haß heran, die mit ihrem Ewenken in Transbaikalien lebt.
Navid Kermani: Entlang
den Gräben. Eine Reise durch das östliche Europa bis nach Isfahan (2018)
Kermani reist im Auftrag des SPIEGEL von seiner Heimatstadt
Köln bis ins iranische Isfahan, der Heimat seiner Eltern, durch Gebiete offener und eingefrorener
Ost-West-Konflikte: Ukraine, Krim, Kaukasus. Ein großartig geschriebenes Buch,
historische Hintergründe werden in den Begegnungen mit den heutigen Menschen lebendig,
ein fein beobachtender, intelligenter, sensibler Autor; der Qualität seines
Berichtes tut es keinen Abbruch, dass er selbst kein Russisch kann und auf
Übersetzer angewiesen ist. Vielleicht sogar die beste Reisereportage, die ich
kenne. Schade, dass in der Darstellung der Kriege um Tschetschenien und
Südossetien allein die anti-russische Sichtweise Raum findet.
Egon Freiherr von Kapherr: Drei Jahre in Sibirien als Jäger und Forscher (1919)
Auch vor hundert Jahren reisten schon Deutsche in Sibirien umher. Der Autor, Förster und Landwirt aus Livland, berichtet von seinen Jagderlebnissen, beschreibt Landschaften, Menschen und die sozialen Zustände in Russland am Vorabend der Revolution. Ein spannendes Zeitzeugnis eines zutiefst konservativen Adligen, der Sozialdemokratie und Kommunismus mit großer Ablehung betrachtet.
Jens Siegert: 111 Gründe, Russland zu lieben (2018)
Der Autor lebt seit 1993 in Moskau und porträtiert Russland liebevoll-kritisch anhand 111 ausgewählter Besonderheiten, über die der Leser ein Bild über Natur, Menschen, Kultur und Politik bekommt. Empfehlenswert, schöne Fotos.
Egon Freiherr von Kapherr: Drei Jahre in Sibirien als Jäger und Forscher (1919)
Auch vor hundert Jahren reisten schon Deutsche in Sibirien umher. Der Autor, Förster und Landwirt aus Livland, berichtet von seinen Jagderlebnissen, beschreibt Landschaften, Menschen und die sozialen Zustände in Russland am Vorabend der Revolution. Ein spannendes Zeitzeugnis eines zutiefst konservativen Adligen, der Sozialdemokratie und Kommunismus mit großer Ablehung betrachtet.
Jens Siegert: 111 Gründe, Russland zu lieben (2018)
Der Autor lebt seit 1993 in Moskau und porträtiert Russland liebevoll-kritisch anhand 111 ausgewählter Besonderheiten, über die der Leser ein Bild über Natur, Menschen, Kultur und Politik bekommt. Empfehlenswert, schöne Fotos.
Karin Haß: Alles „normalno“.
In Sibiriens wildem Osten (2018)
Inzwischen elf Jahre lebt die gebürtige Hamburgerin Karin
Haß in einem kleinen Dorf in der ostsibirischen Taiga zusammen mit ihrem evenkischen
Mann Slava. In ihrem dritten Buch geht es um Jagderlebnisse, um ihre Hunde, um
die Bewohner des Dorfes und den grassierenden Alkoholismus und um ihr eigenes
Älterwerden. Die Autorin schreibt sachlich, detailliert und mit (mitunter
trockenem) Humor. Ein sehr lesenswertes Buch.
„Mir scheint, viele der hiesigen Männer suchen und finden
keinen Sinn in ihrem Leben und wären ohne ihre Frauen wie verlorene Seelen auf
einem unwirtlichen Planeten. […] Die Frauen geben dem Dasein Inhalt und
schaffen ein gemütliches Heim. Manche Männer wissen es zu schätzen und andere
setzen es gedankenlos aufs Spiel. Doch auch in funktionierenden Ehen finden –
nach meiner Beobachtung hier auf dem Lande – kein geistiger Austausch, kaum
Gespräche über das Notwendige oder den Dorfklatsch hinaus, kaum innige Kontakte
außerhalb des Bettes statt. Es ist, wie als lebten die Geschlechter auf
getrennten Himmelskörpern und würden sich nur manchmal zu bestimmten Zwecken treffen.“
„Die russische Seele – wie ist sie? Welche Eigenschaften hat
sie? Es ist schwierig, hinter das Geheimnis zu kommen. (…) Die russische Seele
ist höchst zwiespältig und geprägt von Gegensätzen. Sie neigt zum
Gefühlsüberschwang im Guten wie im Bösen. In einer einzigen Seele schlummern
einträchtig vereint Güte bis zur Rührseligkeit neben gedankenloser Härte,
außergewöhnliche Großzügigkeit neben krassem Eigennutz, Frohsinn bis zu Übermut
und Leichtsinn neben Schwermut und Fatalismus. Je nach Situation gewinnt das
eine oder andere die Oberhand – multipliziert mit der zu sich genommenen Menge
Wodka.“
„Im Alltag zeigt sich die Seele sehr beeinflussbar durch ein
Möbelstück und die Stellung zu ihm. Befindet sie sich vor dem Schreibtisch oder
dem Amtstresen, ist sie demütig und gefügig wie Christus vor dem Herrn. Thront
sie jedoch dahinter, ist sie gleichgültig, unnahbar und machtbewusst, es sei
denn, man hat es rechtzeitig verstanden, in ihr durch Geschenke oder gemeinsame
Bekannte wohlwollende Gefühle zu erwecken.“
„Eingefahrene Verhaltensweisen und Zustände in einem
Riesenreich wie Russland ändern zu wollen, gleicht einer Sisyphusarbeit und ist
durch Einzelne nicht zu bewältigen. Es bedürfte eines
Verantwortungsbewusstseins, einer hohen Moral und persönlichen Mutes großer
Bevölkerungskreise sowie der Anstrangungen der ganzen Gesellschaft. Davon
jedoch ist (…) nichts zu spüren. Eigeninitiative hat keine Tradition in diesem
Reich. Sie war weder unter dem Zaren, noch unter der Sowjetherrschaft erwünscht,
hat sich aber auch danach kaum entwickelt.“
Petra Büschelberger:
Weit entfernte Nähe. Reiseerlebnisse auf der russischen Insel Olchon im
Baikalsee (2018)
Die 1947 geborene Dresdnerin war von 2003 bis 2015 oft auf
Olchon, wo sie in der Siedlung Charanzy wohnte, und schreibt über ihre
Begegnungen und Natureindrücke. Ein kleines, nettes Büchlein mit schönen
Farbfotos.