Samstag, 5. September 2015

Jukari und Wakana

Gestern früh habe ich mich am Bahnhof in Ulan-Ude von Jukari und Wakana verabschiedet. Die beiden jungen Japanerinnen sind gerade dabei, Russland von Wladiwostok bis St. Petersburg mit dem Zug zu durchqueren und hatten zwei Tage in Ulan-Ude Station gemacht. Wakana und Jukari waren genau so, wie ich mir Japaner vorstelle: höflich, kultiviert, leise und dabei immer freundlich lächelnd. Trotz ihres zarten Äußeren sind die beiden offensichtlich hart im Nehmen, reisen mit großen Rucksäcken und ohne jede Russischkenntnisse – Respekt!
Wieder wurde ich in meiner eigenen Wohnung bekocht - sicher das Schönste, was einem mit Couchsurfing-Gästen passieren kann - und gemeinsam überlegten wir, wie wohl eine "Lächel-Karte" der Völker der Nordhalbkugel aussehen würde. Japaner und Amerikaner - ständig aus reiner Höflichkeit lächelnd, Westeuropäer - manchmal, Russen - praktisch nie...
Am Bahnhof wollten sie selbst das Zugticket kaufen. Jukari legte reichte einen Zettel mit der Abfahrtszeit und dem Namen der Station durch das Schalterfenster. „Plazkart oder Coupé, oben oder unten, mit oder ohne Bettwäsche? Ihre Reisepässe!“, kam die offensichtlich an der rauen Sowjet-Wirklichkeit gehärtete Stimme der Schalterdame durch die kleinen, außen angebrachten Lautsprecher. Jukari lächelte und versuchte seelenruhig, den Namen des Zielbahnhofes auszusprechen. „Slu-djan-ka...“-“Spricht hier auch jemand Russisch?“, bellte die Dame von innen zurück. Ich fühlte mich an meine ersten Russlandaufenthalte erinnert und daran, was für eine stressige Herausforderung der Kauf einer Zugfahrkarte für mich einstmals war. Jukari aber war die Geduld und Höflichkeit in Person. Da der Zug in 20 Minuten abfuhr, hielt ich es dann allerdings nicht mehr aus und übernahm den Kaufvorgang, der Fahrkartenfrau in ruppigem Russisch Paroli bietend. Auf einmal erwies sie sich als ganz nett und suchte sogar Plätze auf der Seite des Wagens heraus, auf der die Sicht auf den Baikalsee am besten sein würde.
Nachdem ich die beiden zu ihren Plätzen im Wagen begleitet hatte und selbst ausgestiegen war, hatte ich noch einen interessanten kleinen Dialog mit der Zugbegleiterin.
„Wer ist das, Chinesen oder was?“
„Nein, Japanerinnen.“
„Von überallher drängen die Leute zu uns nach Russland, schrecklich.“
„Es sind Touristen, und hier am Baikalsee bei Ihnen ist die Natur doch so schön, das Wasser, die Berge, die Wälder...“
„Sollen sie es doch bei sich im Land schön machen!“
„Aber die Taiga kann man doch nicht künstlich herstellen...“
„Sollen sie eben weniger abholzen!“
Ungefähr an dieser Stelle des Wortwechsels setzte sich dann der Zug in Bewegung, und ich winkte Jukari und Wakana durchs Fenster zum Abschied.
Zwei Japanerinnen in Ulan-Ude: Jukari und Wakana