Im Unterricht
S- russischer Student L-
russischer Lehrer
S: „Wann du hast gestern gekommt
nach Hause?“
L: „Nochmal. Denken Sie daran,
was wir gelernt haben: Wo steht das Hilfsverb, welches Hilfsverb verwenden wir
hier, wo steht das Partizip, ist es ein starkes oder ein schwaches Verb.“
S: „Wann du hast…“
L: „Wo steht das Verb im
deutschen Aussagesatz? Schon vergessen? Auf Position 2. Nochmal.“
S: „Wann – hast – du“
L: „Kommen ist ein Verb der
Bewegung.“
S: „Wann – bist – du –gekommt…“
L: „Erstens: kommen ist ein starkes Verb. Zweitens: wo steht das Partizip?“
S: „Am Ende. Wann – nach – Hause
– gekommt?“
L: „Mein Gott. Ein STARKES Verb!“
S: „Gekommen.“
L: „Ganzen Satz!“
S: „Wann --- du bist…
Entschuldigung. Wann bist – du – zuhause…“
L: „Vorhin war es richtig. Nach Hause. Also, so geht das nicht.
Müssen wir mit Ihnen nochmal ganz von vorne anfangen oder was. Haben Sie die
Regeln nicht gelernt? Tausendmal haben wir das durchgekaut. Was ist das
Hilfsverb bei Verben der Fortbewegung? Sein.
Wo steht es? Auf Platz zwei. Wo steht das Partizip? Am Ende. Welche Endung
haben die Partizipien starker Verben? –en. Wohin? Nachhause. Wo? Zuhause.
Muss ich mich noch hundertmal wiederholen oder wie. Oder schlafen Sie im
Unterricht? Also, jetzt nochmal. Wann…?“
S: (in Gedanken) Ich hasse Deutsch! Das lerne ich nie!
Im Leben
S – russischer
Student B – deutscher Bekannter
S: Wann du hast gestern gekommt
nach Hause?“
B: Um 22 Uhr.
S: (in Gedanken) Wo war jetzt im Unterricht das Problem? Man versteht mich doch.
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Heute habe ich zum ersten Mal
über ein mehr oder weniger wissenschaftliches Thema einen Vortrag auf Russisch
gehalten. Auf einer Konferenz anlässlich des 10jährigen Jubiläums des
Übersetzer-Lehrstuhles sprach ich vor den versammelten Kollegen zum Thema „Neue
didaktische Ansätze im Fremdsprachenunterricht“. Die russische
Fremdsprachenpädagogik ist traditionell sehr auf Grammatik und auf die
Ausrottung von Fehlern fixiert. Die Studenten beschäftigen sich jahrelang mit
Artikeln und Endungen, was nie dazu führt, dass sie eine Sprache wie das
Deutsche irgendwann einmal in der Praxis anwenden können. Ich versuchte
darzustellen, was „kommunikativer Ansatz im Fremdsprachenunterricht“ heißt und
dass es vor allem am Anfang darauf ankommt, das „kommunikative Ziel“ zu
erreichen – und das geht auch, wenn der Satz eine Menge Fehler enthält. Das
oben konstruierte Beispiel soll das veranschaulichen. Das ständige Berichtigen
sämtlicher Fehler baut einen psychologischen Druck auf, der sensiblere Naturen
völlig verstummen lässt und auch den anderen jede Lust an der Sprache nimmt.
In meinem Unterricht versuche ich
möglichst viele Übungen zu machen, bei denen sich die Studenten untereinander auf
Deutsch unterhalten. Ich laufe von einem zum anderen, höre zu und berichtige
hier und da, wenn der Dialog ins Stocken kommt. Für die Studenten ist das wohl
auch leichter, als ständig frontal von mir gefragt zu werden und Rede und
Antwort stehen zu müssen, wenn die ganze Gruppe zuhört. Außerdem spiele ich
gerne Dialoge vor und lasse sie anschließend laut lesen, das Lehrbuch „Schritte“
bietet davon eine Menge an.
Ich vergleiche das Sprachenlernen
gerne mit dem Gießen einer Pflanze: man muss es regelmäßig machen, jeden Tag
ein bisschen, und die Pflanze wächst nicht schneller, wenn man an den Blättern
zieht. Es braucht Zeit, und die wesentlichen Prozesse geschehen „im Verborgenen“.
Ich umgebe die Studenten mit möglichst authentischer Sprache, und sie behalten
davon etwas. Deklinationstabellen, Wortstellungsregeln und das Auswendiglernen
isolierter Wörter können den Prozess des Spracherwerbs beschleunigen, aber ihn
nicht alleine herbeiführen.
In einem parallel zu der
Veranstaltung veröffentlichten Sammelband mit wissenschaftlichen Artikeln ist
auch ein Aufsatz von mir enthalten, ein leicht überarbeitetes Kapitel meiner
Masterarbeit zum Thema „Sprachlerntheorien und neue didaktische Ansätze“. Ich
wurde gebeten, einen Artikel beizusteuern und war einverstanden. Anschließend
stellte sich heraus, dass für den Druck von jedem Autoren 500 Rubel
beizusteuern sind. Und dann musste mein Artikel noch eine „Plagiatskontrolle“
durchlaufen, die weitere 100 Rubel kostete. Nun, ich bin nicht kleinlich und an
verschiedene Überraschungen hier gewöhnt.
An der Uni scheint man den Veranstaltungstyp „Konferenz“ zu mögen. Dahinter verbirgt sich nicht unbedingt eine große Sache, oft geht es recht informell zu mit dem üblichen Zuspätkommen und während der Veranstaltung telefonieren. Noch besser als eine Konferenz ist eine „Konferenz mit internationaler Beteiligung“, das heißt, es gibt mindestens einen Gast aus dem Ausland, der aktiv auftritt oder auch einfach nur dabei ist.
An der Uni scheint man den Veranstaltungstyp „Konferenz“ zu mögen. Dahinter verbirgt sich nicht unbedingt eine große Sache, oft geht es recht informell zu mit dem üblichen Zuspätkommen und während der Veranstaltung telefonieren. Noch besser als eine Konferenz ist eine „Konferenz mit internationaler Beteiligung“, das heißt, es gibt mindestens einen Gast aus dem Ausland, der aktiv auftritt oder auch einfach nur dabei ist.
Leider war nach meinem Vortrag
keine Zeit mehr für eine Diskussion, da ich zu meinem Hauslektüre-Kurs hetzen
musste. Von den fünf anwesenden Studentinnen hatten zwei den Text (eine Novelle
von Stefan Zweig) nicht gelesen, die zwei Chinesinnen hatten ihn nicht
verstanden, und eine sehr gute Studentin hatte ihn bis zu Ende gelesen, obwohl
nur die Hälfte gelesen werden musste. Trotzdem gelang es mir irgendwie, einen netten
und lebendigen Unterricht zu machen, ich las einfach die entscheidenden
Stellen noch einmal langsam vor und wir übersetzten Schritt für Schritt
gemeinsam. So verwandelt sich der Literaturkurs in eine Übersetzungsübung – so
sind eben die Realitäten, an die ich mich anpassen muss.
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"Bücher aus dem Schrank nehmen verboten, Strafe 50 Rubel" (Zettel an einem leeren Schrank) |
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"Nicht mit Sonnenblumenkernen ins Gebäude kommen. Strafe 4 Arbeitsstunden" (Zettel an einem Uni-Eingang) |