Eindrücke von einer Reise nach Tadschikistan, Teil 7
Am südlichen Ende der mit riesigen
schattenspendenden Ahornbäumen bepflanzten, nach dem Begründer der klassischen
persischen und tadschikischen Literatur benannten Rudaki-Alle liegt der Bahnhof
Duschanbe. Zweimal wöchentlich fahren von hier in je zwei verschiedene
Richtungen Regionalzüge. Wir treten durch die neue Glasfront ins Gebäude und
auf der anderen Seite am Bahnsteig wieder hinaus. Beim Anblick der
Bahnsteigüberdachung und ihrer blauen Stützpfeiler kommen Niso die Tränen: es
sieht noch genauso aus wie vor dreiundzwanzig Jahren, als die Familie – die
russische Mutter, der tadschikische Vater und sie selbst mit vier Brüdern (die
Schwester war noch nicht geboren) in die kirgisische Stadt Osch aufbrach, um
von dort aus über Krasnojarsk und Irkutsk weiter nach Burjatien zu den
Verwandten der Mutter zu fahren. Die sechstägige Reise im September 1996 war
eine Flucht vor dem seit dem Zerfall der Sowjetunion andauernden Bürgerkrieg,
vor dem Hunger und einer völlig unklaren Zukunft; meine Frau erinnert sich, wie
ein Polizist die Familie an der Abreise hindern wollte und Freunde des Vaters
ihn bestachen und ablenkten, bis der Zug sich in Bewegung setzte.
„Der gleiche Duft wie in meiner Kindheit“, sagt
Niso, als wir durch das sonnige Duschanbe spazieren. In den Parks, die den
Präsidentenpalast von allen Seiten umgeben, können wir uns nicht sattsehen an
den tausenden roten und weißen Rosen, die mit viel Sinn für Schönheit und
Ästhetik vor Kastanien, Rhododendron und Zypressen gepflanzt sind. Meine
Gefährtin drückt ihre Nase in die Blüten und pflückt in ungesehenen Momenten
Rosenknospen, deren Blätter wir zuhause als Tee aufbrühen wollen. Die Hitze
regt zu einem gemächlichen Lebenstempo an, Frauen in Kopftüchern und langen Kleidern
verrichten Gartenarbeit, Studenten sitzen mit ihren Heftchen im Schatten auf
Bänken oder der Wiese, weit über uns weht eine gigantische tadschikische Flagge
vom zweithöchsten Fahnenmast der Welt.
Nach Vorlage unserer Pässe können wir im Megafon-Shop zwei SIM-Karten für unsere
Smartphones erwerben und erfahren, dass seit einiger Zeit google, facebook und das
russische vkontakte blockiert sind.
Ich dachte, so etwas gäbe es nur in China?
„Es ist uns peinlich, den ausländischen Gästen in
die Augen zu schauen“, sagt der junge Verkäufer, der auch keine Erklärung für
diese staatliche Maßnahme hat und uns die Installation von VPN zur Umgehung der Sperre empfiehlt.