Mein Lieblingsplatz in der Innenstadt ist der Springbrunnen
vor dem Opern- und Ballettheater. Hier tönt aus Lautsprechern klassische Musik,
die Leute sitzen eisessend und schwatzend auf Bänken in der Sonne und
Hochzeitspaare lassen sich vor dem Hintergrund des schicken Säulenganges
fotografieren. Auf dem Weg zum Institut mache ich gern einen Schlenker hier
vorbei, um ein paar Takte aus Vivaldis „Jahreszeiten“ oder Prokofjevs „Romeo
und Julia“ mit auf den Weg zu nehmen. Die Beschallung öffentlicher Plätze mit
Lautsprechern ist überhaupt ein russisches Phänomen – in diesem Falle habe ich
ausnahmsweise gar nichts dagegen.
Gestern Abend habe ich mich hier mit Irina und zwei ihrer
Freundinnen, Olga und Oyuna, getroffen, um Posy essen zu gehen. Posy ist ein
burjatisches Nationalgericht, man kann sie sich vorstellen wie große, saftige
Pelmeni: ein Stück Fleisch in eine Teigtasche gehüllt. Sie werden mit der Hand
gegessen: zuerst muss man vorsichtig ein Stück abbeißen und dann den Saft heraussaugen,
wenn man mit einem kräftigen Biss beginnt, riskiert man einen satten Spritzer
über den ganzen Tisch. Bald wirst Du keine Zeit mehr haben, meinte Ira, Deine
Studenten werden Dich hierhin und dorthin einladen, Du wirst sehen. Hoffentlich interessieren sie sich auch für meinen Unterricht, gab ich zurück, was kann ich
denn machen, um ihre Motivation zu fördern? Ach, meinte Oynua, wenn ein Ausländer
unterrichtet, ist das immer spannend, mach Dir keine Sorgen. Einige, die keine
Lust haben und nichts machen, gibt es immer, pinat‘ baldú sagt man dazu auf Russisch.
Auch wenn es keinen Park Sanssouci hier gibt und mein
Jogging-Kollege Ingo sehr weit weg ist, mit dem ich mich in Potsdam oft
verabredet hatte, macht mir das Laufen Spaß und ersetzt mir das Erkunden der
Stadt mit dem Fahrrad (als Verkehrsmittel in Ulan-Ude praktisch nicht existent).
Inzwischen habe ich auch Sportschuhe gekauft, die ich natürlich auch aus
Deutschland hätte mitnehmen können – aber ich wollte zu meinen 71 Kilo nichts
mehr dazutun, irgendwo musste auch Schluss sein mit dem Gepäck.
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Das Opern- und Balettheater in Ulan-Ude |
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Olga, Irina und Oyuna vor dem Posy-essen |
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Posy, ein burjatisches Nationalgericht |