Freitag, 28. August 2015

Mein Leben... am Baikalsee?

Ich wohne in Wohnung Nummer 46. Aus vergangenen Monaten haben sich für diese Wohnung Nebenkostenschulden in Höhe von 2194 Rubeln angehäuft. Mein Nachbar in Wohnung 47, der Schlingel, schuldet der Stadt sogar 9015 Rubel. Und in Wohnung 48 haust einer, fast schon ein Bandit!, der sage und schreibe mit 43949 Rubeln für Strom und Wasser im Rückstand ist! Sonst weiß ich zwar nichts über meine Nachbarn, nicht mal, wie sie aussehen, aber das weiß ich jetzt. 
Woher? Nun, an der Hauswand außen hängt seit vorgestern ein gelber Zettel mit einer Nebenkosten-Schuldenliste. Gleich mit einer Gerichtsdrohung, wenn bis Monatsende nicht bezahlt wird.

Lebe ich wirklich "am Baikalsee", wenn dieser doch knapp 100 Kilometer weit weg ist? Für russische Maßstäbe schon, 100 km, das zählt nicht als nennenswerte Entfernung. Morgen möchte ich ans Ufer fahren, mit der Elektritschka oder einer Marschrutka (Mini-Bus), baden, spazieren und der spannenden Geschichte seiner Erschließung nachspüren. Gleichzeitig entziehe ich mich so dem morgigen Stromausfall hier (wird für einen Tag abgestellt) und der stinkenden Lackfarbe im neu gestrichenen Treppenhaus.

In der Wohnung habe ich ein Exemplar von Remarques "Drei Kameraden" gefunden, sowjetische Ausgabe, aber auf Deutsch, und lese es gerade mit Genuss. Der Autor erfreute und erfreut sich hier in Russland großer Beliebtheit und ist bekannter als bei uns. Die Stimmung erinnert mich ein wenig an Böll, die Schilderungen der "verlorenen Nachkriegsgeneration" - nur bei Remarque einen Krieg früher.

Nebenkosten-Schuldenliste
Ein Brückenskelett über die Udá