Mittwoch, 29. Juni 2016

Straßenmusik!



Das erste Mal Straßenmusik in Russland! Für alle Fälle nahm ich meinen Pass mit, um mich im Falle einer Kontrolle ausweisen zu können. Aber es waren dann doch keine Polizisten, die uns wegjagten, sondern nur eine alte wetternde Oma, die uns auf die andere Straßenseite schickte, weil vor ihrem Wohnhaus nicht gespielt werden dürfe.
Mit unseren klassischen Instrumenten Geige und Cello waren Ardan und ich eine große Seltenheit auf dem „Arbat“, wie die Fußgängerzone in Ulan-Ude nach dem großen Vorbild in Moskau genannt wird, obwohl sie eigentlich Lenin-Straße heißt. Normalerweise rocken junge Leute zur Gitarre ab, gelegentlich sieht man ein Akkordeon oder eine Flöte.
Am besten gefällt mir der Pachelbel-Kanon, weil ich meine Stimme auswendig spiele und dabei die Leute beobachten kann. Öfters sind filmende Smartphones auf uns gerichtet, Eltern schicken ihre Kinder vor, um etwas in den Kasten zu werfen, viele sitzen auf den nahen Bänken und hören zu – es ist nicht viel anders als in Deutschland, außer vielleicht, dass die Gefahr der Belästigung durch angetrunkene Penner größer ist. Wir hatten ein paar Freunde eingeladen, die uns moralisch unterstützten und in der Spielpause Kaffee vorbeibrachten.

Das Thema Straßenmusik begleitet mich seit meiner Jugend. Im Verlaufe der Jahre habe ich mit verschiedenen russischen und deutschen Geigern gespielt, mit einem ukrainischen Cellisten, einige Male sogar mit einer Bratsche. Vor allem in der Potsdamer Fußgängerzone und vor dem dortigen Brandenburger Tor, aber auch in Berlin: in diversen U-Bahn-Stationen (mit erforderlicher Genehmigung) und auf der Museumsinsel. Zu meiner Studentenzeit waren die Einnahmen für mich ein nicht unbedeutender Nebenverdienst. „Ein Zehner pro Person und Stunde“ hieß die Faustformel – wenn in dem aufgestellten Geigenkasten diese Summe war, galt die Aktion als erfolgreich. Meistens kam das zusammen.
900 Rubel in zwei Stunden sind weniger, aber die Maßstäbe hier sind andere. Ardan und ich hatten einen windigen Nachmittag erwischt und spielten in der beständigen Befürchtung, die eingeworfenen Rubelscheine könnten weggeweht werden – ein Problem, das es in Deutschland nicht gibt, wo auch der kleinste Schein im Kasten eine große Seltenheit darstellt.