Wenige Tage vor meinem Besuch in
Tomsk hatte die Stadt und ihre umliegende Region, der Tomskaja oblast‘, gerade die Zeitzone gewechselt: statt „Moskauer
zeit plus drei Stunden“ gilt jetzt „Moskau plus vier“. Dadurch ergibt sich –
seltsamerweise – eine einstündige Differenz zum südlicher gelegenen Novosibirsker
Gebiet, das diese Umstellung nicht vollzogen hat.
Das Thema Zeitzonen ist ein
eigenes Kapitel in Russland. Als ich im Jahre 2010 nach Chabaroswk ging, war
die Zahl der Zeitzonen gerade von elf auf neun reduziert worden, außerdem wurde
die Winterzeit abgeschafft: nach der Umstellung auf die Sommerzeit im Frühjahr
drehte man die Uhren im Herbst nicht wieder zurück. Die Reduktion der
Zonenanzahl hatte zur Folge, dass man auf der Reise von Moskau in den Ural
einen Zwei-Stunden-Sprung vollzog, da es die Zeitzone „Moskau plus eins“ nicht
mehr gab.
Jetzt ist wieder alles anders: im
Jahre 2014 wurde auf Winterzeit umgestellt und diese als dauerhafte Zeit
festgelegt, also die Sommerzeit für immer abgeschafft. Außerdem gibt es erneut
elf Zeitzonen, da einige Regionen im Westrussland eine Stunde von Moskau
abrückten und in Kamtschatka und Tschukotka die Zone „Moskau plus neun"
wieder eingeführt
ist. Weitere Veränderungen auf der russischen Zeitzonenkarte sind wohl zu
erwarten, so wird sicher Novosibirsk dem Beispiel von Tomsk folgen und bestimmt
noch die eine oder andere Region im Westen zeitlich von Moskau abrücken.
Bei einem Blick auf die Weltkarte
fällt auf, dass die russische Zeit oft nicht mit der Zeit zusammenfällt, wie
sie sich aus den Längengraden und ihrer Abweichung vom Nullmeridian ergibt. Die
Zeitzonen in Russland sind sozusagen an den meisten Orten „astronomisch nicht
richtig“, sie sind östlicher, als sie dem Längengrad nach sein sollten. Das
bedeutet: in vielen russischen Städten herrschen dauerhaft „Sommerzeit-Zustände“,
so zum Beispiel auch in Ulan-Ude: wenn es 13 Uhr ist, ist es eigentlich erst
zwölf und die Sonne hat ihren höchsten Stand erreicht.
Die wechselnden Entscheidungen
bei der Zugehörigkeit eines Gebietes zu einer Zeitzone sind lebenspraktisch,
energiewirtschaftlich und politisch bedingt: im Winter soll es morgens nicht
ewig dunkel sein, aber natürlich möchte man auch etwas Abendhelligkeit für den
Feierabend. Für die Kommunikation mit Moskau ist es praktisch, wenn die
Regionen nicht zu weit „zeitlich entfernt“ liegen: bei einem Anruf aus der
Hauptstadt in den Fernen Osten am frühen Morgen sollte der Kollege dort
möglichst noch am Arbeitsplatz sein und noch nicht auf dem Heimweg. Staatliche
und zeitliche Einheit haben natürlich miteinander zu tun: nach der Angliederung
der Krim rückten die Uhren dort von der ukrainischen Zeit (Moskau minus eins) ab
und um eine Stunde nach vorn.
Das ebenfalls riesige China mit
etwa der halben Ost-West-Ausdehnung von Russland erspart sich Diskussionen und
das Hin- und Her beim Thema Zeit: es gibt seit 1949 nur eine einzige Zeitzone –
fertig.
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Zeitzonen in Russland: Die Karte zeigt den Stand von 2010 bis 2014. Inzwischen gibt es wieder zwei Zeitzonen mehr |