Donnerstag, 24. März 2016

Frühlingsgefühle



Die Sonne scheint tagelang, das Außenthermometer ist auf plus 10 Grad geklettert. Überhaupt gibt es in Sibirien viel mehr Sonnentage als in Deutschland. Undefinierbares Grau und feuchter Nieselregen von morgens bis abends – so etwas kommt selten vor. Trotz der Wärme ist das Eis auf dem Baikal noch dick und sicher betretbar. Am Wochenende werde ich an einem Eisfischerei-Wettbewerb teilnehmen, zusammen mit meiner österreichischen Kollegin und einem finnischen Studenten bilden wir das „Team Europäische Union“. Keiner von uns hat Ahnung vom Eisfischen, dabeisein ist alles, und weil den Russen die Teilnahme von Ausländern sehr wichtig ist, ist für uns alles bis hin zu Übernachtung und Verpflegung kostenlos.

Der Frühling ist nicht nur die Jahreszeit der aufblühenden Natur, sondern auch die Zeit der sich öffnenden Menschenherzen. Meine sich mit vorsichtiger Neugierde erkundigenden Freunde und Verwandten musste ich bisher nach jedem Russland-Aufenthalt enttäuschen – wieder keine hübsche Russin mitgebracht! Dabei ist die Kombination „deutscher Mann und russische Frau“ recht beliebt und nicht selten anzutreffen, wobei interessanterweise die Männer oft keinerlei Ahnung von der russischen Kultur und Sprache haben, was die Frauen nicht stört, die sich in solchen Fällen schnell anpassen und Deutsch lernen. Für mich persönlich könnte sich nun auch einmal etwas ändern, mir scheint, Gelegenheiten dazu sind vorhanden. Eine Mitarbeiterin des Institutes erkundigt sich abends um 22 Uhr per SMS nach dem Wohlbefinden von mir und meiner Mutter. Eine andere junge Frau versorgt mich in vkontakte, dem russischen Facebook-Äquivalent, mit Hausrezepten gegen Erkältung und erklärt mir ausführlich die Herkunft des russischen Wortes für Kopfkissen (podushka, von pod ushkounter das Öhrchen). Zwei lustige Freundinnen, die ich beim Tangokurs kennengelernt habe, laden mich zum Tanzabend zu sich nach Hause ein. - In die Fußstapfen meines Vorvorgängers, der eine Studentin geheiratet hat, werde ich wohl nicht treten, 15 Jahre Altersunterschied scheinen mir doch etwas viel.

Morgen, bevor es zum Eisfischen auf den Baikal geht, bin ich ins Pädagogische Institut eingeladen, um vor einer Gruppe von künftigen Musiklehrern etwas über die Musikausbildung in Deutschland zu erzählen. Ich werde von meiner eigenen Musikschulausbildung sprechen, etwas Bach auf dem Cello vorspielen, wieder einmal ein Schulzeugnis von meiner an einem musikalischen Gymnasium lernenden Schwester herumzeigen und die deutschen Notennamen erläutern (c d e f g…), die sich von den russischen (do re mi fa so…) unterscheiden.

Im Erdgeschoss meines Hauses hat ein Schönheitsstudio neu eröffnet (oben), und auf der gegenüberliegenden Seite ein Kindergarten (russ. detskij sad) mit dem Namen "Kinder"