Die Sonne scheint
tagelang, das Außenthermometer ist auf plus 10 Grad geklettert. Überhaupt gibt
es in Sibirien viel mehr Sonnentage als in Deutschland. Undefinierbares Grau
und feuchter Nieselregen von morgens bis abends – so etwas kommt selten vor.
Trotz der Wärme ist das Eis auf dem Baikal noch dick und sicher betretbar. Am
Wochenende werde ich an einem Eisfischerei-Wettbewerb teilnehmen, zusammen mit
meiner österreichischen Kollegin und einem finnischen Studenten bilden wir das
„Team Europäische Union“. Keiner von uns hat Ahnung vom Eisfischen, dabeisein
ist alles, und weil den Russen die Teilnahme von Ausländern sehr wichtig ist,
ist für uns alles bis hin zu Übernachtung und Verpflegung kostenlos.
Der Frühling ist
nicht nur die Jahreszeit der aufblühenden Natur, sondern auch die Zeit der sich
öffnenden Menschenherzen. Meine sich mit vorsichtiger Neugierde erkundigenden Freunde
und Verwandten musste ich bisher nach jedem Russland-Aufenthalt enttäuschen –
wieder keine hübsche Russin mitgebracht! Dabei ist die Kombination „deutscher
Mann und russische Frau“ recht beliebt und nicht selten anzutreffen, wobei
interessanterweise die Männer oft keinerlei Ahnung von der russischen Kultur
und Sprache haben, was die Frauen nicht stört, die sich in solchen Fällen
schnell anpassen und Deutsch lernen. Für mich persönlich könnte sich nun auch
einmal etwas ändern, mir scheint, Gelegenheiten dazu sind vorhanden. Eine
Mitarbeiterin des Institutes erkundigt sich abends um 22 Uhr per SMS nach dem
Wohlbefinden von mir und meiner Mutter. Eine andere junge Frau versorgt mich in
vkontakte, dem russischen
Facebook-Äquivalent, mit Hausrezepten gegen Erkältung und erklärt mir
ausführlich die Herkunft des russischen Wortes für Kopfkissen (podushka, von
pod ushko– unter das Öhrchen). Zwei lustige Freundinnen,
die ich beim Tangokurs kennengelernt habe, laden mich zum Tanzabend zu sich
nach Hause ein. - In die Fußstapfen meines Vorvorgängers, der eine Studentin
geheiratet hat, werde ich wohl nicht treten, 15 Jahre Altersunterschied
scheinen mir doch etwas viel.
Morgen, bevor es
zum Eisfischen auf den Baikal geht, bin ich ins Pädagogische Institut
eingeladen, um vor einer Gruppe von künftigen Musiklehrern etwas über die
Musikausbildung in Deutschland zu erzählen. Ich werde von meiner eigenen
Musikschulausbildung sprechen, etwas Bach auf dem Cello vorspielen, wieder einmal
ein Schulzeugnis von meiner an einem musikalischen Gymnasium lernenden
Schwester herumzeigen und die deutschen Notennamen erläutern (c d e f g…), die
sich von den russischen (do re mi fa so…) unterscheiden.
Im Erdgeschoss meines Hauses hat ein Schönheitsstudio neu eröffnet (oben), und auf der gegenüberliegenden Seite ein Kindergarten (russ. detskij sad) mit dem Namen "Kinder" |