Wenn der Fluss
nicht vereist gewesen würde, schwümme ich gern eine Runde darin. Wenn er nicht
geeist hätte, schwämme ich! Ach was, schwömme! Werde geschwimmt habe! Der
Konjunktiv im Deutschen ist eine kniffelige Sache, sehr formenreich und mit
Logik schwer zu erschließen. Deshalb hat mich meine Kollegin Irina gebeten, ein
Spezial-Seminar zu diesem Thema abzuhalten, für Studenten und auch für
Lehrkräfte. Ich bin gespannt, wie viele Leute heute Nachmittag zu meiner eigens
dem Konjunktiv gewidmeten Doppelstunde kommen.
Im Deutschen werden
irreale Ereignisse in der Gegenwart anders ausgedrückt als in der
Vergangenheit. Es gibt sehr wohl einen Unterschied zwischen „wenn ich Geld
hätte“ und „wenn ich Geld gehabt hätte“. Im Russischen klingt das genau gleich.
Verständlich, dass die Studenten damit durcheinanderkommen. Für die Lehrkräfte
ist manchmal nicht so ganz einfach zu entscheiden, welche Formen eher
theoretisch existieren und welche ein typischer Deutscher tatsächlich
verwendet. Niemand sagt „Wenn ich Auto führe, machte ich bestimmt ein paar
Fehler im Verkehr“. Man umschreibt es mit „würde“. Selbst ich als
Deutsch-Experte erlaube mir, nicht zu wissen, ob es im Konjunktiv II eigentlich
„begänne“ oder „begönne“ heißt – es ist veraltet und sollte nicht unterrichtet
werden.
Vor einigen Tagen
war ich an der Schule Nr. 57 und besuchte dort den Deutschunterricht meiner
Studentin Seseg. Die junge Dame studiert zwar selbst noch an der Uni, arbeitet
aber schon gleichzeitig 20 Stunden in der Woche als Deutsch- und
Englischlehrerin. Schule Nr. 57 liegt eine halbe Busstunde außerhalb des
Zentrums in der Siedlung Energetik, auf einem Hügel gelegen und von Wald
umgeben. Seseg ist dort aufgewachsen und auch selbst an diese Schule gegangen.
Englisch ist für alle die erste Fremdsprache, als zweite kann gewählt werden
zwischen Deutsch und Burjatisch. Ich wohnte – als unauffälliger Beobachter
hinten sitzend – dem Unterricht in der 5. Klasse bei, den Seseg ganz ruhig und
liebevoll gestaltete (wobei sie zu den Schülern „wie geht es Ihnen“ statt
„euch“ sagte – die „euch“-Formen sind für Russen schwer), und gab anschließend
für die versammelten 5. bis 7. Klassen eine Stunde selbst. Die Schüler waren in
schicke Schuluniformen gekleidet, recht artig und ich fand, sie ließen sich als
Gruppe sehr leicht führen – vielleicht ist das der asiatische Kollektivismus,
eher noch als im Westen steht man einem Gesamtorganismus
gegenüber und nicht in erster Linie lauter Ich-Individuen.
Wenn ich keine
warmen Schuhe anzöge, frören meine Füße. Die Schuhe einiger Leute hier sehen
sehr exotisch und schön aus: sie tragen Untý,
eine Art Eskimostiefel aus Rentierfell.
Studentin Lena in Untý |