Ein
Feuerwehrfahrzeug fährt langsam durch die Steppe und zieht an einem Seil einen
brennenden Reifen hinter sich her. Pechschwarzer, bestialisch stinkender Rauch
steigt auf. In dem spärlichen, gelben
Gras auf den Hügeln oberhalb des Flussufers bleibt eine verkohlte Schneise
zurück. An den Stellen, wo die Halme höher und dichter sind, fangen sie Feuer.
Vom Winde angefacht, lecken sich die Flämmchen vorwärts, nicht schnell, aber
beständig, einen schwarzgrauen, sich immer weiter vergrößernden Flecken
zurücklassend.
Der Rauch
umhüllt die Ruine einer orthodoxen Kirche. Auf dem einen der beiden Haupttürme
steht noch die zwiebelförmige Kuppel mit dem dreibalkigen Kreuz, von den vier
kleineren Türmchen, die sie umgeben, ist einer übriggeblieben. Der andere große
Turm ragt als abbröckelndes Ziegelrund in den sonnigen Winterhimmel. Innen
spießen braune Stahlträger aus den Wänden, die einst Zwischendecken trugen, der
Boden ist dicht von Kuhfladen bedeckt, an einigen Stellen sind die Wände
beschmiert. Bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts war hier das Zentrum
einer Siedlung, die dann auf Anweisung aus Moskau ans andere Flussufer verlegt
wurde. Novoselenginsk, einst bedeutender als Ulan-Ude, ist heute ein weitgehend
vergessenes Provinznest, bekannt nur durch das Grab zweier hierher verbannter Dekabristen
und eines diesen gewidmeten Museums. Hauptereignis der letzten zwei Jahre waren
die tagelangen Dreharbeiten an der Kirchenruine für einen Film über den Großen
Vaterländischen Krieg unter Beteiligung von vier deutschen Schauspielern. Dafür
gibt sie eine gute Kulisse ab, das Ergebnis von hundertfünfzig Jahren Verwitterung
ist vergleichbar mit einem Bombeneinschlag.
Das
Abbrennen der Steppe soll Bränden im Sommer vorbeugen. Wo nichts wächst, kann nichts
entzündet werden durch unachtsam zurückgelassene Feuer oder Zigarettenkippen,
Flammen, die dann auf den Wald übergehen könnten, der sich an den Hügeln in die
Höhe zieht.
Im Eis der
Selenga erstrecken sich im Abstand von zehn Schritten zueinander vier Gräben,
hunderte Meter lang, fast einen Meter tief und ebenso breit. Mit schwerem Gerät
müssen sie gefräst worden sein, und die herausgeraspelten Eissplitter liegen
als kegelförmiger Wall daneben. Noch ein paar Wochen, der Schnee auf den Hängen
weiter flussaufwärts beginnt zu tauen und füllt das Flussbett mit Wasser, das
aber dann noch vereist sein wird. Es wird sich in die Gräben ergießen, die auf
diese Weise sicherstellen sollen, dass die gefrorene Selenga nicht über die
Ufer tritt und das Schmelzwasser die tieferliegenden Wohngegenden überschwemmt.
An anderen Stellen werden zu diesem Zweck im zuendegehenden Winter sogar
Sprengungen des Eises vorgenommen. Doch bis dahin ist noch etwas Zeit. Jetzt
sitzen noch die Eisangler an ihren in das anderthalb Meter dicke Eis gebohrten
Löchern unter dem sonnigen blauen Himmel; mit Autos sind sie auf die Flussmitte
gefahren, von der anderen Uferseite aus, wo die Gräben nicht den Weg
versperren.