Donnerstag, 31. August 2017

Heil Hitler und willkommen in Tadschikistan

Reisebericht aus Tadschikistan, Teil 1

„Wenn Hitler damals die Welt erobert hätte, würden wir jetzt alle in Deutschland wohnen“, sagt mein Nachbar, und es klingt nicht so, als ob er diese Möglichkeit bedauerlich fände. Ich befinde mich an Bord eines Flugzeugs der tadschikischen Somon Air auf dem Weg von Irkutsk nach Duschanbe, die Hauptstadt Tadschikistans. Außer einigen in lange, schöne Gewänder gekleideten Frauen mit Kindern befinde ich mich in der Gesellschaft von lauter meist jüngeren Männnern, Gastarbeiter auf Heimaturlaub. Einer von ihnen sitzt neben mir.
„Ihr seid doch auch Arier, oder?“ Ich versuche zu erklären, dass das Wort für Deutsche Tabu ist, weil die Nazis damit ihre Überlegenheit anderen Völkern gegenüber ausgedrückt haben. Auf meiner Reise wird es mir noch oft begegnen: im Unterschied zu den umliegenden Turkvölkern, zu Kirgisen, Usbeken und Turkmenen betonen die Tadschiken gern ihre indoeuropäische Abstammung, und natürlich gerade im Gespräch mit einem Deutschen. In der Tat sehen ihre Gesichter oft sehr europäisch aus.
„Die Faschisten haben gesagt, die Russen sind Schweine. Warum eigentlich?“ Nun, führe ich aus, Hitler hat eben mit seiner Ideologie vom slavischen Untermenschen den Leuten das Hirn vernebelt. Aber mein Gesprächspartner hat schon selbst eine Antwort. „Er hatte recht! Wenn sie trinken, benehmen sie sich wie Schweine!“ Ich wechsle das Thema. Welche Früchte werden in Tadschikistan angebaut? Dafür muss ich nun meinerseits erklären, warum in Deutschland keine Baumwolle und keine Wassermelonen wachsen können. „Scharbati seb“, sage ich und weise auf das vor mir stehende Getränk, stolz darauf, das tadschikische Wort für Apfelsaft gelernt zu haben. „Ich kann Deine Sprache auch“, sagt mein Nachbar. „Heil Hitler! – Was heißt eigentlich heil?“
Gegen Ende der über 4stündigen Reise überfliegen wir das Fergana-Tal und das nördlich von Dushanbe gelegene Turkestan- und Zarafshan-Gebirge, die in schroffer Kahlheit auf gedrängtem Raum über 4000 Meter in die Höhe ragen. Tadschikistan ist ein Land der Berge, sein Osten ist vom Pamir-Gebirge eingenommen, die höchsten Gipfel der Sowjetunion befinden sich hier, Pik Kommunismus und Pik Lenin, Siebentausender, beide allerdings inzwischen in Pik Somoni und Pik Abuali ibn Sino umbenannt. Es ist das bergigste, kleinste und ärmste der postsowjetischen –stan-Länder. Industrie gibt es kaum, dafür viele arbeitssuchende junge Männer, die ihr Einkommen in Russland auf dem Bau erwirtschaften und dann nach Hause schicken. Fast 40% der männlichen Bevölkerung unter 30 arbeitet als gastarbejter – das deutsche Wort wird auch im Russischen verwendet – im großen nördlichen Nachbarstaat und erwirtschaftet dort ein Drittel des tadschikischen Bruttoinlandsprodukts.
Ich sitze am Fenster und staune in die strahlende Morgensonne am blauen Himmel, während die Maschine, anscheinend fast einen Hügel rammend, eine große Schleife beschreibt und in Dushanbe aufsetzt. Jemand fegt mit einem Reisigbesen die Fläche um das Flugzeug herum, ansonsten wirkt alles so wie auf modernen Flughäfen üblich. Die Außentemperatur beträgt 35 Grad, erfahren die Passagiere auf tadschikisch und russisch, Ortszeit 7.30 Uhr morgens. Ich stelle meine Uhr um drei Stunden zurück, von „Moskau plus 5“ (die burjatische Zeit) auf „Moskau plus 2“. An der Passkontrolle zeige ich mein sogenanntes e-Visum vor: man muss nur 50 Dollar überweisen, einen Pass-Scan hochladen, und einen Tag später kommt es per Email zum selbst Ausdrucken – der Staat macht es westlichen Reisenden besonders einfach, um den Tourismus anzukurbeln. Chusch omaded, willkommen in Tadschikistan!


Blick über die tadschikische Hauptstadt Dushanbe