Reisebericht aus Tadschikistan, Teil 3
Erschöpft sitze ich im Schatten eines Maulbeerbaumes und
lasse meine Blicke ins Flusstal und über die gegenüberliegenden, von der
gleißenden Mittagssonne beschienenen Berghänge gleiten. Neben mir plätschert
ein Bächlein, kleine Ziegen springen herum, ein Esel röhrt aus aller Kraft. Ich
befinde mich im Dorf Anzhirob im Süden Tadschikistans, am Hang zwischen einer
gut asphaltierten Straße und dem Fluss Pandsh gelegen. Dieser bildet die Grenze
zu einer anderen Welt – was sich kilometerhoch vor meinem Auge auftut, ist der
Hindukush im Nachbarland Afghanistan. Ein Name, mit dem sich für mich Krieg und
Chaos verbindet; so gar nicht wollen die friedlichen Bergdörfer dazu passen,
die sich in Form von grünen Oasen aus weiter Entfernung ausmachen lassen. Ich
habe mir in Dushanbe eine Genehmigung zum Betreten des Grenzgebietes besorgt.
Die Grenze selbst wirkt unbewacht, zumindest kann ich keinerlei Soldaten oder
Militärgebäude erkennen. Der lehmigbraune Fluss scheint breit und schnell
genug, so dass man ihn nicht so einfach durchqueren kann.
Ein Opel Astra kommt neben mir zum Halten, zwei akkurat
gekleidete Männer treten an mich heran und geben mir die Hand. Ob ich wüsse,
was der KGB sei?
Ich nicke.
Bei so etwas Ähnlichem würden sie arbeiten, also, beim
Tadschikischen Geheimdienst. Ich sei doch informiert, das hier Grenzgebiet sei,
und ob sie bitte einmal meine Dokumente sehen dürften.
Das Russisch der beiden ist tadellos. Ich bitte sie darum,
sich doch selbst erst einmal irgendwie auszuweisen.
Während der eine ins Auto zurückkehrt, beantworte ich dem
anderen bereitwilig alle Fragen nach dem Wer, Warum und Wohin. Im Reiseführer
habe ich gelesen, dass über genau diese Grenze ein Großteil des russischen
Drogenmarktes beliefert wird – ist die Ware erst einmal in Tadschikistan, ist
es auch bis Russland nicht mehr weit. Nach einer Weile kommt der Kollege
zurück, Ausweis gibt es leider keinen, dann müsse ich eben mitkommen.
Um die Sache abzukürzen, glaube ich den beiden einfach und
zeige ich meinen Pass, das Visum und die Grenzgebiets-Genehmigung. Sie schauen
sich aufmerksam alles an und wünschen mir einen schönen Tag. Die meisten
Touristen fahren auf der Hauptstraße etwas weiter oben am Ort vorbei. Selten,
dass sich hierhin jemand verirrt.
Ein paar Tage später sitze ich mit einem jungen Mann aus dem
Pamir-Gebirge in einem schicken Geländewagen und fahre die zunächst
ausgezeichtet asphaltierte Straße entlang des Grenzflusses nach Norden.
Grandiose, abenteuerliche Felswände tun sich rechts und links auf, wie ich sie
noch nie gesehen habe, links der Straße geht das poröse Gestein mitunter fast
senkrecht nach oben, nicht selten liegt Geröll auf der Fahrbahn. An einigen
Stellen geht es unter überhängenden Felswänden hindurch. Ein Großteil der
Strecke wurde von chinesischen Gastarbeitern asphaltiert, die sehr effektiv und
schnell gearbeitet hätten, sie würden sogar im Laufen essen, um keine Zeit zu
verlieren, erklärt mir der Fahrer. Dass die Warenströme aus dem Reich der Mitte
nach Zentralasien auf guten Straßen hineinrollen können, ist im eigenen
Interesse Chinas. Nach einer Weile wird die Straße dann doch zur Holperpiste.
„Bis in die 20er Jahre waren wir so arm wie die da drüben“,
meint der junge Mann am Steuer und deutet mit der Hand über die afghanische
Grenze, wo Motorräder und Fahrräder auf einem Sandweg zu sehen sind. „Dann kam
die Sowjetunion, und es wurden Schulen, Krankenhäuser und Straßen gebaut.“ Ohne
die Sowjets hätte Tadschikistan vielleicht das leidvolle Schicksal seines
südlichen Nachbarn teilen müssen und wäre ebenso in jahrzehntelangen Unruhen
versunken.
In Khalaichumb steige ich aus. „Hello hello“, schmettern mir die
Kinder entgegen. „Homestay with WiFi!“ Ein Junge versucht mich in Richtung
eines bestimmten Hauseingangs zu lotsen – offensichtlich ein sehr touristischer
Ort.
Video: Fahrt entlang der Grenze
Blick über den Grenzfluss Pandsh nach Afghanistan |
Die Berge des Hindukush (oben) und ein afghanisches Bergdorf (unten) |
Entlang des schmalen Grenzflusses nach Norden |