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Willkommen am Flughafen! |
Zu meinem vierten Besuch auf Olchon hatte mich eine
Musiklehrerin aus Chuzir eingeladen. Ich sollte mit Kindern aus der Musikschule
eine Stunde mit dem Thema „Singen auf Deutsch“ durchführen. Und so erklärte ich
den etwa zwanzig Zweit- und Viertklässlern die Aussprache von Ö und Ü, übte mit
ihnen „Bruder Jakob“ und „Der Hahn ist tot“ ein und erklärte ihnen, wie wichtig
es sei, Fremdsprachen zu lernen – wenn nicht Deutsch, dann doch jedenfalls
Englisch, um später einmal mit den vielen Touristen auf der Insel kommunizieren
zu können. Ich glaube, es hat ihnen gefallen. Anschließend lud ich sie noch zu
einem kleinen Jonglier-Workshop in den Schulhof ein, zu dem dann allerdings nur
noch vier Leute kamen. Ich hatte die von meiner Freundin mit Hirse und einer
gehäkelten Ummantelung selbst angefertigten Bälle mitgenommen und zeigte die
einfachsten Varianten des Jonglierens mit zwei und drei Bällen.
Im Austausch gegen die Weitergabe meiner in der städtischen
Kulturlandschaft erworbenen Fähigkeiten schenkte mir Olchon viel reine Natur.
Es ist schwer zu sagen, was den Reiz der Insel ausmacht. Wenn der Baikal das
Herz Sibiriens ist, dann ist Olchon das Herz des Baikals, heißt es, und sicher
zu recht. Eine wundervolle, friedliche Stimmung liegt Anfang Juni über der
sanft geschwungenen Steppe und in den lichten Wäldern, fantastische
Lichtstimmungen erfreuen das Auge vor allem morgens und abends, der Blick über
das Kleine Meer ans Westufer des Baikals, als Kontrast dazu steile Uferabbrüche
und felsige Inselchen vor der Küste. Hat die größte Siedlung Chuzir über anderthalbtausend Einwohner, so werden
die Dörfer nach Norden hin immer kleiner: Charanzy (hundertachtunddreißig; „zum
Aerodrom 200m“ steht auf einem neuen Schild am Ortseingang, dessen Pfeil auf
ein Feld hinter einer verfallenen Hütte weist), Chalgai (fünfundfünfzig; hier
enden die über die Insel gespannten Überlandleitungen), Pestshanaja (neun; die
zerfledderten Ruinen am Wasser der in einer wunderschönen Sandbucht gelegene
Siedlung lassen das frühere Straflager vermuten), Usury (acht Bewohner; der Ort
besteht im Wesentlichen aus einer Wetterstation, die sich über Solarzellen und
Windräder mit Energie versorgt), Usuk
(zwei). Bei meiner Wanderung stieß ich im Lärchenwald hinter Chalgai auf einen
Bauwagen und eine Schranke: der Kontrollposten des Pribaikalskij-Nationalparks.
Per Handschlag begrüßte ich die zwei wettergegerbten Burjaten, die darauf
warteten, dass ihre Schicht zuende geht und sie abgeholt werden; meine Bitte
nach heißem Wasser für einen Teebeutel wurde erfüllt, und wir beratschlagten,
was denn nun am besten mit mir anzustellen sei, denn eigentlich braucht man für
den Nationalpark im Voraus eine – in meinem Fall leider nicht existente –
Genehmigung. Da ich zu Fuß unterwegs war und nicht, wie alle anderen, mit dem
Auto, ist es eigentlich egal, lautete dann der Beschluss. Wenn eine Inspektion
kommt und nach meinem Propusk fragt,
was durchaus passieren kann, dann soll ich sagen, ich hätte keinerlei
Kontrollposten wahrgenommen. Wir plauderten noch etwas über Bären (gibt es auf
Olchon nicht, und auch wenn es welche gäbe – vor ihnen müsse man keine Angst
haben) und Waldbrände (in diesem Jahr noch keine, Gott sei dank), und nach dem
zweiten Glas Tee marschierte ich weiter.
Endpunkt meiner Wanderung war ein
kleiner Berg neben Usury, von dem aus sich ein Blick auf die Nordspitze Olchons
eröffnete. Am Horizont zeichneten sich blaugrau die Umrisse der Halbinsel
Heilige Nase ab. Dazwischen, dort, wo ich noch vor zwei Monaten über die einen
Meter dicke Eisdecke gefahren war, glitzerte jetzt das blaue Wasser.
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Blick von Olchon über das Maloje Morje zum Westufer |
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Vor dem Jonglier-Worshop auf dem Schulgelände |
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Die ihrer Form nach so genannte Löweninsel |
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In der Pestshannaja-Bucht |
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Picknick bei Usury |
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Das Schamanenkap bei Chuzhir |