Sevastópol im äußersten Südwesten der Krim hat für Russland
eine ganz besondere Bedeutung. Neben Moskau und Sankt Petersburg ist es eine
Stadt „föderaler Bedeutung“, stellt also eine eigene Verwaltungseinheit dar.
Eine Unmenge an Kriegs- und Marinedenkmälern erzählen von der blutigen
Vergangenheit des Ortes, an dem so viel russisches Blut vergossen wurde, dass
es in den Augen der Einwohner ein Unding wäre, ihn der Ukraine zu überlassen –
zumal hier auch noch die russische Schwarzmeerflotte stationiert ist. Sergej
zeigt mir das Kriegsschiff, auf dem er einige Jahre als Matrose war, und mit
meinem Gastgeber Firdavis am Steuer fahren wir von einem Denkmal zum nächsten.
Zwischendurch versuche ich immer wieder erfolglos, mit meiner deutschen Visakarte
bei verschiedenen Banken Geld abzuheben – keine Chance, die westlichen Sanktionen zeigen ihre Wirkung.
Sevastopol war bis in die 90er Jahre eine geschlossene
Stadt, die nur betreten durfte, wer dort wohnte oder eine Sondererlaubnis
hatte. Bei der Anfahrt sieht man in den Felsen gehauene Eingänge zu
unterirdischen Stollen. Die ganze Stadt ist mit militärischen Anlagen
unterhöhlt, weiß Sergej zu erzählen, vielleicht ist es der am besten befestigte
Ort Europas. Etwas außerhalb besuchen wir die Ruinen von Chersones, einer alten
griechischen Stadt und gleichzeitig der Ort, wo sich Fürst Wladimir 992 zur
Orthodoxie bekannt und diese damit zur Religion der Kiewer Rus gemacht hat.
„Russland hat in seiner gesamten Geschichte nie einen
Angriffskrieg geführt!“, sagt Sergej. Ich runzle die Stirn und denke
angestrengt nach, antworte aber nichts. „Die Krim hat sich mit ihrem Vaterland
wiedervereinigt. Warum spricht man in Deutschland von der Wiedervereinigung,
aber bei uns von Annexion? Siehst du hier irgendwelche Besatzungstruppen? Erzähle das mal deinen Freunden in Deutschland. “
Am nächsten Tag verabschiede ich mich von Firdavis, der, wie
er mir berichtet, sich schon sehr auf die Antrittsrede von Donald Trump freut. „Trump
wird die rechtmäßige Regierung in der Ukraine wiederherstellen und die Krim als
Teil Russlands anerkennen!“ Ob er nicht manchmal auch Zweifel hat an dem, was
im Fernsehen so erzählt wird? „Nein, das russische Fernsehen sagt immer die
Wahrheit!“
So viel Politik und Wahrheit auf einmal ist dann doch etwas
viel für mich, und ich freue mich auf die Natur: mit gezücktem Fotoapparat
sitze ich wenig später in einem modernen O-Bus und überquere das Krimgebirge,
mich an den links und rechts auftauchenden schneebedeckten Bergen erfreuend.
Die Trolleybus-Linie zwischen Simferopol
und Jalta ist weltweit die längste ihrer Art. Die Fahrt dauert zweieinhalb Stunden
und kostet umgerechnet knapp 2 Euro. Der Oberleitungsbus windet sich bis in
eine Höhe von fast 800 Metern empor und erreicht dann auf der gewundenen Fernstraße
den Küstenort Alúschta, von da aus geht es weiter mit Blick aufs Schwarze Meer an dem
berühmten Freizeit-, früher Pionierlager Artek
vorbei bis nach Jalta.
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Die russische Schwarzmeerflotte im Hafen von Sevastopol. Früher lagen hier auch ukrainische Schiffe |
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Ein Triumphbogen erinnert an das 300-jährige Jubiläum der Gründung von Sevastopol unter Zarin Katerina der Großen |
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Ein Mandelbaum unter besonderem Schutz: eines der wenigen Gewächse, die den Krieg überstanden haben |
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Antike Geschichte: Die Ruinen von Chersones |
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Das Krimgebirge (oben), Weinanbau an der Südküste (unten) |
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Die weltweit längste O-Bus-Linie verläuft durch die Berge zwischen Simferopol und Jalta |