Die Ausläufer des Sajan-Gebirges
im Westen Burjatiens erinnern ein wenig an die Alpen. Lässt man seinen Blick
über die Gipfel und Schluchten schweifen, dann wird man allerdings das Fehlen
der Zivilisation bemerken: keine Berghütten, kein Mast einer Seilbahn und keine
läutende Kühe an grünen Hängen. Stattdessen: das große sibirische Schweigen.
In der letzten Woche fielen drei
Feste zusammen: der Tag des Vaterlandsverteidigers
am 23. Februar (eine Art russischer Männertag), Masleniza (die „Butterwoche“ vor der österlichen Fastenzeit, in der
besonders viele Bliny, also
Eierkuchen zubereitet und gegessen werden) sowie Sagaalgan, das burjatische Neujahresfest, das am ersten Tag nach
dem ersten Neumond im Februar gefeiert wird. Die freien Tage nutzten Niso und
ich für einen Ausflug nach Arshan, sieben Kleinbus-Stunden von Ulan-Ude
entfernt, gelegen am Südhang eines Tunkinskije
goltsý genannten Ausläufers des Sajan-Gebirges.
Arshan, 1920 gegründet, ist ein
berühmter sibirischer Kurort. In dem großen Sanatorium unterziehen sich die
Leute verschiedenen Heilprozeduren und trinken von den gesunden Mineralquellen,
oder übernachten auch einfach nur, so wie wir. Jetzt, Ende Februar, strahlte
die Sonne vom Himmel, die Vögel zwitscherten und es waren nur wenige Grad unter
Null. Wir folgten dem größtenteils vereisten Bergbach Kyngarga ein paar Stunden aufwärts. An vielen Stellen bildet das
Eis durchsichtige aufgewölbte Blasen, die einen Hohlraum bilden, unter dem das
schnell strömende Wasser sprudelt. Nach einer Weile endet das frische
Kieferngrün ringsum, und der Weg führt durch eine felsige Schlucht mit
gespenstisch anmutenden, vertrockneten weißlich-grauen Stämmen eines vor vielen
Jahren schon abgebrannten Waldes. Niso weigerte sich, weiterzugehen, eine
gruselige negative Energie läge in der Luft. Am anderen Tag bestiegen wir in
dreieinhalb Stunden den Pik Ljubwi,
den Hausberg Arschans, von wo aus uns das Tunka-Tal mit den Ausläufern des
Chamar-Daban-Gebirges zu Füßen lag, die die Grenze zur Mongolei bilden. Wie
soll man die Schönheit der Berge aufnehmen und würdigen? Wir setzten uns eine Weile
hin und schwiegen.
Unser Kleinbus auf der Rückfahrt
war von besonderer Art, er hatte nämlich einen Bildschirm und eine neue
Stereoanlage. Der Fahrer legte Filme ein. Meiner Bitte, leiser zu stellen oder
doch lieber Musik zu wählen, wurde leider nicht stattgegeben – sonst würde er
einschlafen, meinte der junge Mann am Steuer. Eingesperrt in einem kleinen Raum
einer Beschallung ausgesetzt zu sein, der ich mich nicht entziehen kann, ist
für mich außerordentlich qualvoll (gegen die „technischen“ Frequenzen aus
Lautsprechern helfen auch Ohropax kaum). Niso schaute aus dem Fenster und
meinte zu mir, sie hört eben einfach nicht hin. Schon daran gewöhnt, dass meine
akustische Empfindlichkeit „keiner versteht“, hielt ich tapfer bis Ulan-Ude
durch – die Eindrücke von den burjatischen
Alpen sind ein Opfer wert.
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Anstehen an der mineralischen Heilquelle |
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Rast am Bergbach Kyngarga |
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Wunderschön und ein wenig unheimlich: dickes Eis, unter dem der Bach sprudelt |
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In den "burjatischen Alpen" wächst ein "Kamelschwanz" genannter Schmetterlingsblütler |
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Abgebrannter Wald vor dem Hintergrund des Pik Arschan |
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Der Kegel eines erloschenen Vulkans im Tunka-Tal |
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Der buddhistische Tempel in Arschan. Links vorne der von uns bestiegene Pik Ljubwi |