Freitag, 23. August 2019

Treffen sich drei Männer

 
Treffen sich ein Mann mit einem Strick, ein Mann mit einer Axt und ein Mann mit einem Messer.
„Ich spreche noch schnell das Gebet“, sagt der Mann mit dem Strick, murmelt ein paar Worte, führt die zusammengelegten Handinnenflächen am Gesicht vorbei und fasst den Strick so, dass der Kopf der darangebundenen Kuh kaum noch Bewegungsspielraum hat.
Gibt der Mann mit dem Strick dem Mann mit der Axt ein Zeichen.
Holt der Mann mit der Axt mit seiner Axt aus und hält im letzten Moment inne: die Kuh wirft ihren Kopf unruhig hin und her, so dass er nicht treffen würde.
„Verdammte Scheiße“, sagt der Mann mit der Axt.
Führt der Mann mit dem Strick die Kuh zum Zaun und wickelt den Strick um einen Pfosten, so dass der Kopf der Kuh nun wirklich nirgendwohin mehr ausweichen kann.
Haut der Mann mit der Axt die stumpfe Seite seiner Axt der Kuh mit voller Wucht zwischen die Augen. Ein kurzes Knirschen und Röcheln, dann plumpst der schwere Leib der Kuh in die Brennnesseln.
„Allahu akbar“, ruft der Mann mit dem Strick, der den Strick inzwischen losgelassen hat. Auch der Mann mit der Axt hat seine Axt auf die Erde fallen lassen.
Nimmt der Mann mit dem Strick ein großes Messer zur Hand, schneidet der Kuh die Kehle durch und hält ein kleines Metallschälchen unter den Hals, wohinein das Blut läuft.
Schöpft der Mann das Blut in einen kleinen Metalltank, Teller um Teller, viele Liter. Die Kuh zuckt und schlägt mit den Beinen um sich.
Schneidet der Mann mit dem Strick, der inzwischen ein Messer in der Hand hat, der Kuh den Hals bis zur Wirbelsäule durch. Erst dann gibt die Kuh Ruhe und hört auf zu zucken.
Haben der Mann mit dem Strick, der Mann mit der Axt und der Mann mit dem Messer inzwischen alle drei ein Messer und machen sich an der Kuh zu schaffen. Viel Zeit bleibt nicht mehr bis zur Dunkelheit, und außerdem nerven die Mücken.
Schneiden sie der Kuh die untere Hälfte der Beine ab, schlitzen den Bauch auf und trennen das Fell vom Rest, dann stößt der Mann mit dem Messer sein Messer in einen der Mägen, aus dem mit langgezogenem Furzgeräusch stinkende Gase entweichen. Alle drei sind mit den Köpfen nach unten gebeugt und so beschäftigt, dass der Ausländer neben ihnen, der weder Strick noch Axt noch Messer hat, dafür aber einen Fotoapparat, zwischendurch immer wieder ein paar Fotos machen kann, ohne dass sie es merken.
Stößt der Mann mit der Axt, der zwischendurch wieder seine Axt genommen hat, um der Kuh den After aufzuhacken, einen Fluch aus: aus Versehen hat er in den Darm gehauen, aus dem nun eine Masse widerlichen Anblicks entweicht.
Gibt ihm der Mann mit dem Strick einen kleinen Strick, damit er den Darm wieder zubinden kann.
Hängt der Mann mit dem Messer das abgetrennte Euter und die Leber an einen der Zaunpfähle.
Wälzen die drei Männer mit vereinten Kräften das riesenhafte Innereienpaket auf die Seite und schneiden den Magen auf, aus dem viele Eimer saftigen grünen Grases hervorquellen.
„Verdammt“, sagt der Mann mit der Axt, „schlachten soll man morgens und nicht abends, wenn die Viecher den Wanst voll haben!“
Zerlegen die Männer die Kuh in kleinere Teile, die gerade so zwei von ihnen anheben können, und werfen diese mit Schwung auf die Ladefläche des bereitstehenden Lastwagens. Ein paar kleinere saftige Stücke landen in einem Eimer. Statt Rubel, die nie pünktlich und vollständig gezahlt werden.
Eine gute halbe Stunde hat es gedauert, inzwischen ist es dunkel und die Mücken sind für die drei Männer kaum noch auszuhalten.
„Este? Litauer?“, hebt der Mann mit dem Messer den Kopf und fragt den Ausländer zum ersten Mal etwas. „Was stehst du so ruhig da? Stören dich die verfluchten Mücken nicht?“
„Deutscher.“ Der Ausländer schüttelt den Kopf.
„Toller Kerl. Solche Leute brauchen wir hier!“, sagt der Mann mit dem Messer.
Der Mann mit der Mann mit dem Strick nimmt seinen Strick, der Mann mit der Axt seine Axt und der Mann mit dem Messer sein Messer. Der Lastwagen mit dem Fleisch der ehemaligen Kuh fährt davon.
Der Ausländer steckt seinen Fotoapparat in die Tasche und fährt mit dem Mann mit dem Strick nach Hause.

Auf meinen Wunsch hin nahm mich mein Schwiegervater mit auf seine Arbeitsstelle, einem Landwirtschaftsbetrieb in der Nähe von Jelan, wo ich beim Schlachten einer Kuh zuschauen durfte.