Minus
fünfundzwanzig Grad. Mehr als ein kurzes Röcheln ist dem Motor meines Lada
nicht zu entlocken. Nachbar Anatoli schleppt hilfsbereit eine Ersatzbatterie
herbei und verbindet ihn mit zwei Kabeln mit dem meinen, vergebens, auch für
die Starthilfe ist es zu kalt.
Am nächsten
Morgen lege ich eine aus drei Verlängerungskabeln zu je zehn Metern
zusammengestückelte Leitung aus dem Balkonfenster zum Auto – zum Glück habe ich
es vorsorglich auf unserer Straßenseite geparkt – und schließe den kleinen
elektrischen Heizer an, der sich unter der Motorhaube befindet. Das Kabel führt
schräg durch die kahlen Bäume nach unten, am Eingang unseres
Lebensmittelgeschäftes vorbei, wo ich ein Holzbrett darüberlege, damit niemand
stolpert, und einmal quer über den Bürgersteig, wo ich es mit einer Isomatte
und vier Ziegelsteinen absichere. Ein paar Stunden bleibt es so liegen, am
Anfang fühle ich mich unwohl ob des von mir im öffentlichen Raum gebildeten
Hindernisses, später wird es mir egal – Russen sind es gewohnt, über
Baustellen, durch Löcher und entlang von Kabeln zu spazieren.
Fünf Stunden
später: trotz angewärmter Schläuche springt der Motor immer noch nicht an.
Dabei ist meine Batterie ganz neu und die Zündkerzen auch! Anatoli, dessen
hinter meinem schlanken Lada stehender Toyota Landcruiser inzwischen auch nicht
mehr anspringt, gibt wieder Starthilfe, diesmal klappt es. Gemeinsam fahren wir
zu ihm auf die Datsche, um von dort seine Heißluftkanone zu holen. Mit dem
benzinbetriebenen Apparat will er von unten seinen Motor erwärmen, vergebens: leider
erweist sich der Motor der Heißluftkanone als eingefroren. Ich fluche auf meine
Lederhandschuhe, in denen meine Finger in Minutenschnelle vereisen, und flüchte
in die Wohnung. Für morgen sind minus dreißig angesagt.
Letzte Woche
klingelte der Kurier an unserer Tür und brachte den Pass meiner Frau aus dem
Novosibirsker Konsulat, mit beantragtem Visum, diesmal ein bis Ende 2020
gültiges Mehrfach-Einreisevisum, wie es an Reisende erteilt wird, die bereits
mehrfach ihre Bereitschaft zum ordnungsgemäßen Verlassen Deutschlands unter
Beweis gestellt haben. Am nächsten Samstag wird Niso in Irkutsk eine
Deutschprüfung ablegen und ihre Deutsch-Grundkenntnisse unter Beweis stellen. Ihr
Zertifikat über das Sprachniveau „A1“ ist Bedingung für unsere spätere
gemeinsame Übersiedlung in meine Heimat.