Heimat und Vaterland –
welch tiefen Sinn tragen diese Worte!
Unser Land heißt
Russland. Das ist das größte Land der Erde. Das ist unsere Heimat.
Die Hauptstadt
Russlands ist die wundervolle Stadt Moskau.
Welch verschiedene
Völker bewohnen Russland! Ihre Vertreter haben unterschiedliche Gesichtszüge,
nationale Trachten, Volksfeste und Religionen.
Russen, Tataren, Juden, Komi, Baschkiren, Karelen, Udmurten, Burjaten, Tschuktschen,
Jakuten und andere. Aber alle Völker Russlands sind vereint in der großen Familie
der gemeinsamen Heimat Russland, in gegenseitiger Achtung und Freundschaft.
Mit diesen Worten beginnt Majas Lehrbuch im Fach Sachkunde.
Von morgens um 8 Uhr an hat sie täglich drei Stunden, meistens Lesen, Schreiben
und Mathematik. Maja geht mit 31 anderen Schülern in die Klasse 1 B (der
Buchstabe wird W ausgesprochen und
steht im russischen Alphabet an dritter Stelle) in Schule Nummer 1 (in Russland
haben Schulen Nummern, keine Namen). Wir stehen morgens um 6 Uhr auf; als der
leidenschaftlichste aller Morgenmenschen bin natürlich ich für Wecken und
Frühstück zubereiten zuständig. Letzteres bedeutet immer etwas kochen:
Kartoffelpüree aus frischen Kartoffeln, Mannaja
kascha (Grießbrei), Pschonka
(Hirsebrei) oder Gretschka
(Buchweizengrütze), manchmal wird auch der Borschtsch
vom Vortag aufgewärmt.
Nach dem Unterricht werden für die Schüler verschiedene AGs
angeboten wie Tanzen und Singen, Maja geht, bester russischer Tradition
folgend, zweimal wöchentlich zum Schachunterricht. In einer Reihe Moskauer Schulen
wurde das Spiel sogar als Pflichtfach in den unteren Klassen eingeführt, statt
dritter Sportstunde. Weitere zwei Male pro Woche steht eine Klavierstunde in
einer privaten Musikschule auf dem Programm; in der staatlichen, wo es sogar
kostenlose Plätze gibt – wohl noch ein Überbleibsel aus Sowjetzeiten – war
leider nichts mehr frei.
An meinem Lehrstuhl im Institut für Philologie und
Massenkommunikation ist es im neuen Studienjahr ruhiger geworden.
Erstsemestler, die Deutsch als erste Fremdsprache studieren, gibt es diesmal
überhaupt keine, entsprechend haben die Dozenten wenig zu tun und arbeiten mit
halben und dreiviertel Stellen; einige haben gekündigt. Der Studentenschwund
wird meist im Zusammenhang gesehen mit dem Geburtenrückgang im chaotischen Russland
der späten 90er Jahre. Ab 2000 kam Putin, dann ging es aufwärts mit dem Land
und den Neugeburten – und die Kollegen an der Uni hoffen, dass dieser Trend
sich nun bald, 18 Jahre später, auch in den Studentenzahlen zeigt. Erstmals
unterrichte ich zwei Studienjahre in einer zusammengelegten Gruppe, weil mir
die Stunde mit acht Studenten mehr Freude macht als mit, sagen wir, dreien. Oft
gilt: je weniger Teilnehmer im Kurs, desto schläfriger die Gesamtstimmung.
Jede Woche schreibe ich eine Rund-SMS und erinnere an die
dienstägliche Probe meines Chores. Möglicherweise
fährt der Chor zu einem Gastspiel nach Deutschland, lautete der Text in
dieser Woche, es kommen alle mit, die
regelmäßig zu den Proben erscheinen! Ganz leer ist die Versprechung nicht,
zunächst aber erhoffe ich mir davon ein zahlreicheres Auftauchen der oft
unzuverlässigen und vergesslichen jungen Leute, um sie mit europäischer und
russischer A-capella-Klassik zu begeistern: der „Ackerwinde“-Kanon von
Rimski-Korsakoff, das mittelalterliche französische „Je ne l’ose dire“, passend
zur Jahreszeit „Bunt sind schon die Wälder“.
Mitunter ertappe ich mich dabei, wie ich im Gespräch mit
Deutschen „bei uns“ sage und damit die Baikalregion meine. Im dritten Jahr ist
Burjatien schon zu einem Stück Heimat geworden.
Was wissen wir über die Völker Russlands? Das Sachkundebuch für die Schüler der 1. Klasse erklärt die russische Heimat |