Samstag, 24. September 2016

Thomas from Germany. Englisch auf der Dorfschule



„Hello! I am Thomas from Germany. I would like to talk to you in English today. Maybe you want to ask me some questions…“ 15 neugierige junge Augenpaare sind staunend auf mich gerichtet, als wäre ich eine Art Außerirdischer, der sich von seinem Planeten in ein russisches Dorf verirrt hat. 

Die Siedlung Tataúrovo liegt eine Fahrtstunde nördlich von Ulan-Ude, malerisch am Fluss Selenga.  Meine Bekannte Irina hatte mich an ihre Schule in den Englischunterricht eingeladen. Seit Beginn dieses Schuljahres arbeitet sie dort und ist dafür aus der Stadt nach Tataúrovo gezogen, um nicht jeden Tag pendeln zu müssen. Ihr Arbeitgeber, die Schule, hat ihr in einem der dreigeschossigen Plattenbauten kostenlos eine geräumige Wohnung zur Verfügung gestellt, ein entscheidendes Plus zusätzlich zu dem geringen Lehrergehalt.

Ich besuchte den Unterricht in der 11., 7. und 4. Klasse und war ein absoluter Stargast, für viele wohl die erste Begegnung mit einem westlichen Ausländer überhaupt. Russische Schüler sehen in ihren Schuluniformen sehr schick aus, auch die Viertklässler tragen schon kleine Anzüge! Die Siebtklässler standen vor jeder Antwort von ihrem Platz auf, was mich sehr irritierte, aber hier zu den Höflichkeitskonventionen gehört. Alle waren sehr neugierig und versuchten mir in gebrochenem Englisch Fragen zu stellen; ich tat so, als ob ich kein Russisch verstehe und erzählte ihnen, wie wichtig es sei für sie im späteren Leben, eine Fremdsprache zu erlernen.
Die stellvertretende Direktorin schenkte mir als Dank für meinen Besuch einen großen Beutel mit Pinienkernen, frisch aus der Taiga. Wie wäre es mit der Einführung von Deutsch als zweiter Fremdsprache, schlug ich vor und sie versprach, mal darüber nachzudenken. Irina lud mich nach den drei Unterrichtsstunden in ihre Wohnung zum Tee ein. Der Blick aus dem Fenster fällt auf die neue, schicke Dorfkirche und waldbedeckte Hügel. In Tataurovo leben nur Russen, Irina ist hingegen Burjatin. 

Es macht ihr Spaß, in einem russischen Umfeld zu arbeiten, meinte sie, die Russen seien offener und direkter als die Angehörigen ihres eigenen Volkes, die doch ihre Emotionen eher zurückhalten und aus denen man oft nicht so schlau werde. Mit Menschen zu arbeiten macht ihr mehr Spaß als ihre letzte Tätigkeit in einem Büro, wenn auch 30 Unterrichtsstunden pro Woche schon ganz schön ermüdend sind. – Den Rückweg trat ich an mit einer Flasche Kuhmilch von einem Dorfgroßmütterchen, frisch vom Euter.