Samstag, 26. Mai 2018

Das Potsdam Russlands



















Nach meiner Tadschikistan-Reise hatte ich einen zweitägigen Aufenthalt und ein Treffen mit meinen in Russland tätigen Kollegen in Puschkin, eine kleine Universitätsstadt ganz in der Nähe von Sankt Petersburg. Puschkin hieß bis 1918 Zarskoje selo, Zarensiedlung, und war jahrhundertelang Landsitz und Vergnügungsort der russischen Monarchen. Der Katherinenpark erinnerte mich mit seinen akkurat gepflegten Wegen, den Schlössern und Lauben, den türkische und chinesische Architektur nachahmenden Gebäuden und Ruinenimitationen an den Park Sanssouci – sogar einen Querflötenspieler gibt es! Die geraden Straßen, niedrigen Gebäude und busweise angekarrten Touristen wirken wie ein zweites Potsdam; die Radfahrer, der Badesee und die mit entblößtem Oberkörper entspannt auf der Wiese grillenden Leute schaffen ein geradezu westeuropäisches Flair. Lediglich die uniformierten Kontrollposten im Park lassen einen dann doch nicht vergessen, dass man sich in Russland befindet. 

Für Maja haben die Schulferien begonnen – über drei Monate werden sie dauern, erst am ersten September wird die zweite Klasse beginnen. Als wichtige Kenngröße für den Lernerfolg eines Schülers gilt die Anzahl der Wörter, die er pro Minute liest. Maja schafft ungefähr fünfundzwanzig. In der letzten Woche hat die Kleine die Aufnahmeprüfung für die Musikschule bestanden, wo sie ab Herbst den Klavierunterricht fortsetzen soll. Interessanterweise scheint Vorbegabung und musikalische Vorbildung erforderlich, um in die Musikschule zu dürfen, und es werden nur Kinder von 7 bis 9 Jahren aufgenommen.

Niso hat ihren ersten Versuch hinter sich, die Führerscheinprüfung zu bestehen. In Russland besteht diese aus den drei Teilen „Theorie“, „Übungsgelände“ (mit Einparken und einer Rampe zum „Anfahren am Berg“) sowie „Stadt“, die an einem Tag hintereinander abgelegt werden. Das Bestehen eines Teils gilt als Voraussetzung für die Zulassung zum nächstfolgenden. Meine Freundin ist auf dem Übungsgelände gescheitert. Die bestandene Theorie gilt nun ein halbes Jahr. Im Unterschied zu vielen Hochschulexamina ist der Führerschein wohl eine ernstere Sache und man kann tatsächlich durchfallen. Eigentlich ist das ja auch tröstlich.

Als ich neulich mit dem Auto in den etwas außerhalb gelegenen Stadtteil Energetik unterwegs war, um mich dort auf Einladung der Deutschlehrerin an Schule Nummer 57 ein wenig mit den Schülern zu unterhalten, bekam ich eine SMS: „Verkehrspolizei: Strafe 500 Rubel, 21.5.18, PO39EO03“- die letzte Zahl ist meine Autonummer. In mancherlei Hinsicht ist Russland erstaunlich modern. Ich fahre zu schnell an einer Überwachungskamera vorbei, sofort informiert mich eine Nachricht auf dem Handy über die Höhe der Strafe, die anschließend bequem online überwiesen werden kann, und das Beste: wenn ich innerhalb eines Monats zahle, gibt es 50 Prozent Rabatt. Rabatt auf eine Strafzahlung! Nicht schlecht.

Vorgestern schaute ich mir verschiedene Hostels an, um ein Zimmer für meinen Vater zu buchen, der uns Anfang Juli besuchen möchte. Im „Prospekt“ und „Relax“ gleich in der Nähe unserer Wohnung wird auch stundenweise vermietet – vermutlich kommen die Menschen zu anderen Zwecken hierher, als sich vom Betrachten der Sehenswürdigkeiten zu erholen. Das Personal im „Travelers Hostel“ in schöner zentraler Lage spricht gut Englisch, leider gibt es nur 8-Bett-Zimmer. Drei Unterkünfte ganz in Bahnhofsnähe erwiesen sich als sehr verschieden: das „Clean Hostel“ mit einer sowjetisch-robusten, energischen Chefin, Englisch Fehlanzeige („Wir unterhalten uns über Google Übersetzer“), daneben das „Dostojewski Hostel“, gemütlicher Backpacker-Style, leider auch ohne fremdsprachenkundiges Personal, und das „Druzhba Najramdal“, eine nette Burjatin an der Rezeption, Englisch oder Mongolisch gewünscht?, bittesehr. Ich reservierte hier. Die burjatische Tourismusbranche hat durchaus noch Entwicklungspotential. Wo sind eigentlich die Englisch- und Deutschstudenten, die wir an unserem Institut ausbilden?

Die Halbinsel Krim ist nun auch verkehrstechnisch und im alltäglichen Zahlungsverkehr fest in die Russische Föderation integriert: vor Kurzem fuhr Putin als erster im Lastwagen über die neue Brücke, die die Krim mit dem russischen Festland verbindet. Und ich bekam zum ersten Mal einen der neuen, leuchtend grünen 200-Rubel-Scheine in die Hand mit Motiven der Heldenstadt Sevastopol, Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte.

Zwei neue Geldscheine sind in diesem Jahr erschienen: der 2000-Rubel-Schein zeigt das Kosmodrom "Wostotschnyj" im Fernen Osten, der 200-Rubel-Schein Motive aus der Krim-Stadt Sevastopol