Am siebzehnten Oktober haben meine Freundin Niso und ich geheiratet,
genau zwei Jahre und sieben Monate, nachdem wir zusammengekommen sind. Am Abend
vor der Heirat blättern wir in der
Hochglanzbroschüre zum Thema „Hochzeit“, die uns vor einem Monat
ausgehändigt wurde, als wir den Termin beim Standesamt vereinbart hatten, und
lesen auf der ersten Doppelseite zwei Grußworte, verfasst von Vertretern der
beiden größten Religionen in Burjatien.
„Grundlage eines langen Eheglücks ist die Weisheit“, schreibt der Lama,
der in leuchtend roten und orangen Kleidern von seinem Porträtfoto blickt. „Ist
die Grundlage der Ehe von geistiger Natur, dann wird die Beziehung eine ewige
werden, ähnlich der Lotosblume, welcher der Schmutz der materiellen Welt nichts
anhaben kann.“
„Die orthodoxe Kirche schlägt das Modell einer christlichen Familie
vor“, lesen wir bei dem in düsteres Schwarz gekleideten Metropoliten Saawatij. „Frauen,
folgt euren Männern nach wie dem Herrn, denn der Mann ist das Haupt der
Familie, wie Christus das Haupt der Kirche ist; wie die Kirche sich Christus
unterordnet, so auch die Frau dem Manne in allem.“
Würden wir mit einer religiösen Institution heiraten, dann wohl lieber
mit den Buddhisten, stellen Niso und ich fest und müssen lachen.
Das Standesamt Ulan-Ude befindet sich – wahrscheinlich vorläufig, während
das eigentliche Gebäude renoviert wird – im Erdgeschoss eines tristen
Plattenbaus. Um neun Uhr morgens sind wir zur Stelle. Nachdem festgestellt
wurde, dass kein Übersetzer nötig ist, bittet uns die Standesbeamte in den
repräsentativen Raum mit dem doppelköpfigen russischen Adler an der Wand, hält
eine kurze Ansprache und erklärt uns zu Mann und Frau.
„Ihnen als Oberhaupt der Familie überreiche ich die Heiratsurkunde“, sagt
sie und händigt mir das Dokument aus, auf der einen Seite in Russisch und auf
der Rückseite auf Burjatisch abgefasst, das allerdings weder meine Frau noch
ich verstehen.
„Und der Ehefrau als Hüterin der häuslichen Heimstätte gebe ich den
Pass mit Stempel zurück“, bekommt Niso zu hören und nimmt ihren Inlands-Pass in
Empfang, in dem sich nun auf der Seite „Familienstand“ ein Stempel über die
Registrierung der Eheschließung befindet. Der nun folgende Teil einer typisch
russischen Hochzeit, das Durch-die-Stadt-Ziehen mit lärmendem, trinkendem
Gefolge, Fotografiertwerden vor dem Hintergrund von Opernhaus und Leninkopf und
abendlichem Versacken an übervoll gedeckten Restauranttafeln, ist nichts für
uns; wir heiraten ohne große Party ähnlich meinem Freund Robert, auf dem
Kühlschrank in dessen Berliner WG ich eines schönen Tages die standesamtliche
Urkunde erblickte. Still und unspektakulär fahren Niso und ich nach Hause und
dann in die Musikschule, wo Maja einen kleinen Auftritt mit dem Kinderchor hat
und die „Musikanten-Weihe“ bekommt.
Die mit einer russisch-deutschen Heirat verbundene Bürokratie ist etwa
gleich aufwändig, ob man nun in Russland oder in Deutschland heiratet.
Russische Standesämter verlangen ein Ehefähigkeitszeugnis
des ausländischen Partners, in Deutschland müsste man eine Befreiung von der Vorlage des Ehefähigkeitszeugnisses für den
russischen Partner beantragen. Deutlich einfacher soll es in Drittländern wie
zum Beispiel Dänemark sein. Die Kombination „Frau aus Russland und deutscher
Mann“ ist wohl wesentlich häufiger als umgekehrt. Bei youtube gibt es stundenlange Lehrvideos für die russischsprachige
Damenwelt - „Heiraten nach Europa mit
Olga Schröder“ und so ähnlich – in denen erklärt wird, was zu tun ist, um das
Eheglück in Westeuropa zu finden; rein statistisch kommen in Russland auf sechs
Frauen nur fünf Männer.
In Russland wird der Ehering an der rechten Hand getragen. Ich finde
das ungewöhnlich – die rechte ist doch die Arbeitshand, die Hand des Alltags.
Wir tragen ihn an der linken.